Zudem ist es zu einer Hyperproduktion von Hochschulabsolventen an Privathochschulen mit sehr zweifelhaften Lehrplänen und Qualität gekommen. Diese Hochschulen entstehen praktisch in jedem Dorf, so dass mittlerweile viele Menschen den Spruch „So viele Bildungseinrichtungen, und so wenig Bildung“ auf den Lippen haben.
Kürzlich wurden wir Zeugen des Selbstmordes eines 14-jährigen Jungen, der von seinen Schulkameraden schikaniert wurde. Er war Schüler an einer Privatschule, die außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Föderalen und Kantonalen Bildungsministeriums liegt.
Neben dem Brain Drain der jungen Menschen, die gerade ihr Studium beendet haben, ist die Tatsache, dass junge Menschen im Alter von 25-35 Jahren ebenso das Land verlassen, genauso besorgniserregend. Es sind gut ausgebildete junge Menschen mit außerordentlichen Erfahrungen in ihren Fachbereichen. In Bosnien-Herzegowina lesen wir mit Erstaunen über diese großen Erfinder und exzellenten Überflieger in bestimmten Fachbereichen. Wir sind stolz auf sie, auf „einer/einem von uns“, die/der intelligent, smart und erfolgreich ist und es „drüben“ geschafft hat. Dabei vergessen wir, dass diese Menschen es auch hier geschafft hätten, wenn sie nur die Gelegenheit und Unterstützung gehabt hätten, die sie „drüben“ bekommen haben. Und wir vergessen, dass sie es ungeachtet ihres ethnischen, politischen oder wie auch immer gearteten Backgrounds als großes, unterstützenswertes Talent anerkannt werden.
Die besorgniserregendste und erschreckendste Tatsache ist, dass die Regierung keineswegs alarmiert ist über diese massenhafte Abwanderung der jungen Menschen. Im Gegenteil. Solange ihre Positionen gesichert sind, haben sie keinen Grund zur Sorge. Und solange sich diese jungen Menschen nicht ihrer Rhetorik der Angst und des Nationalismus anpassen, sind sie scheinbar glücklich darüber, dass diese Menschen das Land verlassen. Denn dies bedeutet weniger Leute, die das Wunschbild eines national geteilten, von Nationalisten regierten Bosniens ablehnen.
Doch trotz dieser deprimierenden und pessimistischen Situation wird der neuen Generation von jungen Menschen die schmerzliche Tatsache immer bewusster, dass sie nicht länger warten können und die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist die lebhafte Erinnerung an die bosnisch-herzegowinische Jugend-Basketballnationalmannschaft. Zur Meisterschaft 2015 fuhren sie als Outsider und kehrten als Goldmedaillengewinner zurück. Dabei wurden sie fast aus dem Wettbewerb ausgeschlossen, da sie die Teilnahmegebühren nicht zahlen konnten.
Dieses Team von Teenagern im Alter von 16 und 17 Jahren haben gezeigt, dass ihre Zeit gekommen ist. Junge Menschen, die sich ihrer Talente, Potenziale und des Selbstvertrauens bewusst sind, das vonnöten ist, um für das zu kämpfen, was ihnen zusteht. Hoffentlich werden sie eine neue Ära der jungen Generation einläuten, die furchtlos und ohne unterwürfige Mitgliedschaft in einer der politischen Parteien, sondern allein auf Basis ihrer Fähigkeiten ihren Platz unter der Sonne finden.
Ein anderes Beispiel ist die Verteidigung des Krankenhauses. Das Krankenhaus hat eine große Bedeutung im Leben der Bürgerschaft Sarajevos und ganz Bosnien-Herzegowinas. Es wird als Denkmal der Humanität, der Hingabe und der Arbeit unter widrigsten Umständen wahrgenommen. Hier wurde während der Belagerung um das Leben der Mitbürger/innen gekämpft. Für den Moment haben die Bürger/innen das städtische Krankenhaus vor Nepotismus und einer schlechten nationalistischen Politik bewahren können. An der Universitätsklinik wird dagegen ohne Ausschreibung der Posten der Direktorin besetzt, einfach so. Ein verheerendes Signal für alle in diesem Land, die sich nicht mit Familien- oder Parteienzugehörigkeit, sondern mit Talent und Expertise durchsetzten wollen. Es ist daher kein Wunder, dass bei dem gigantischen Missbrauch des Gemeinwesens durch die Parteien diese immer mehr an Vertrauen verlieren. Nach einer neuen Umfrage des Instituts Analitika sind in BiH politische Parteien mit 62,3% jene Institutionen, denen die Bevölkerung am meisten Misstrauen entgegenbringt.
Womit können wir all das lösen? Was können wir diesem destruktiven Ansatz des Paternalismus, der ausufernden Korruption entgegensetzen? Die einzige Möglichkeit ist es, verstärkt auf Bildung zu setzen. Hierzu leistet die Youth Initiative for Human Rights (YIHR) BiH bereits einen wichtigen Beitrag, vorrangig durch informelle Bildungsangebote für junge Menschen. Auf diese Weise fördert YIHR kritisches Denken, individuelle, argumentierte Standpunkte zu gesellschaftlichen, politischen oder anderen für sie relevanten Themen mit dem Ziel, dass diese gut ausgebildeten Bürger/innen dann zu einem neuen politischen Faktor für ein besseres, stabileres und gedeihendes Bosnien-Herzegowina werden.