Nord-Mazedonien muss weiterhin auf den erhofften Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen warten.
Der Entscheid hat im Land eine politische Krise ausgelöst. Nicht nur die EU hat an Glaubwürdigkeit verloren, sondern auch die Regierung Zoran Zaevs. Wobei nicht vergessen gehen sollte, dass mit den anstehenden Neuwahlen insbesondere die Zivilgesellschaft Nord-Mazedoniens erneut mit nicht zu unterschätzenden Herausforderungen konfrontiert sein wird.
Ein europäischer Fußtritt gegen die Zivilgesellschaft Nord-Mazedoniens
Nord-Mazedonien muss weiterhin auf den erhofften Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen warten.
Der Entscheid hat im Land eine politische Krise ausgelöst. Nicht nur die EU hat an Glaubwürdigkeit verloren, sondern auch die Regierung Zoran Zaevs. Wobei nicht vergessen gehen sollte, dass mit den anstehenden Neuwahlen insbesondere die Zivilgesellschaft Nord-Mazedoniens erneut mit nicht zu unterschätzenden Herausforderungen konfrontiert sein wird.
Im Jahr 2005 entschied der Europäische Rat Nord-Mazedonien – damals noch Mazedonien – den Kandidatenstatus für den EU-Beitritt zu gewähren. Vier Jahre darauf verabschiedetet die Europäische Kommission ihre erste Empfehlung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Im Oktober 2019, fast 15 Jahre später, wartete Nord-Mazedonien gespannt auf den Entscheid des Europäischen Rates.
Die Chancen standen so gut wie nie. Nach mehrmonatigen Verhandlungen einigten sich die Regierungen in Skopje und Athen auf den Namen Nord-Mazedonien, womit der langjährige Namensstreit beigelegt wurde. In einem konsultativen Referendum über die Annahme der Namensänderung unterstützte eine Mehrheit der Mazedonier*innen die Namensänderung: „Ich habe der Namensänderung zugestimmt mit der Zuversicht, dass sie uns den Weg zur EU-Mitgliedschaft ebenen werde. Für viele Mazedonier*innen ist die EU-Mitgliedschaft der Hoffnungsschimmer für die Zukunft, so haben wir diese Erniedrigung einer Namensänderung in Kauf genommen“, sagt eine junge Frau aus Skopje.
Frankreich Veto für Beitrittsverhandlungen
Dennoch kommt alles anders als erwartet: Am EU-Gipfeltreffen Mitte Oktober legte der französische Präsident Emmanuel Macron sein Veto gegen die Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nord-Mazedonien ein. Damit sind für den Moment die Chancen für die Verhandlungen vom Tisch. Die Enttäuschung in Nord-Mazedonien ist groß und die Reaktionen nach dem Entscheid der EU heftig: Regierungspräsident Zoran Zaev tritt per Ende Jahr zurück und im April 2020 werden vorgezogenen Parlamentswahlen abgehalten.
In der Weltpresse zeigen sich hochrangige Beamte sowie Politiker*innen bestürzt und werten den französischen Entscheid als einen historischen Fehler. Es ist die Rede von einer sinkenden Glaubwürdigkeit der EU, einer Destabilisierung und ein vermehrter Einfluss von Russland und der Türkei in der Region wird prognostiziert. Welche gravierenden Folgen der Entscheid für die Zivilgesellschaft hat, bleibt aber mehrheitlich unbeachtet.
Angekündigte Neuwahlen
Die angekündigten Neuwahlen überraschen nicht, war doch die Aussicht auf Beitrittsverhandlungen das politische Kapital der Regierung Zaevs. Auch innenpolitisch konnte die aktuelle Regierung ihre Versprechen nicht einhalten. Für die Opposition wird es somit ein Leichtes sein, sich auf das politische Versagen der Regierung zu konzentrieren und damit den Wahlkampf zu dominieren.
Die konservative Wählerschaft ist über die Jahre stabil geblieben. Was nicht der Fall ist bei den Wählern der Sozialdemokraten. Dazu kommt, dass sich für den Einzelnen die Lebensqualität in Nord-Mazedonien bis heute nicht bedeutend verändert hat. „Die Erwartungen der Bevölkerung nach den Massenprotesten waren sehr hoch. Viele der Personen, die damals die Sozialdemokraten wählten, sind heute enttäuscht und resignieren. Eine Mehrheit davon wird wohl deshalb den Wahlen fernbleiben“, so Slavčo Dimitrov Mitarbeiter von Coalition Margini[1], die sich für Menschenrechte und eine demokratische und freie Gesellschaft in Nord-Mazedonien stark macht.
Schwächung der Zivilgesellschaft
Mit der sozialdemokratischen Regierung ist es den Organisationen aus der Zivilgesellschaft gelungen einen Dialog voranzubringen. Die Zivilgesellschaft wurde vermehrt in politische Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse miteinbezogen. Dies bestätigt auch Tatjana Stoimenovska vom Helsinki Komittee für Menschenrechte[2] in Nord-Mazedonien.
Slavčo Dimitrov ergänzt: „In den letzten Jahren haben wir uns in erster Linie auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines Dialoges mit der Regierung Zaev konzentriert. In Anbetracht der Spezifität, Komplexität und Dringlichkeit der politischen Geschäfte und insbesondere des noch immer spürbaren Traumas der Erfahrungen mit dem autoritären Regime von VMRO-DPMNE und Nikola Gruevski, zeigten wir uns tolerant mit der Regierung. Damit haben wir aber wohl unsere Glaubwürdigkeit in der breiten Bevölkerung aufs Spiel gesetzt.“ Dimitrov zu Folge wird es daher schwierig sein, erneut die Kräfte zu bündeln, um gemeinsam mit der Bevölkerung gegen einen Regierungswechsel anzukämpfen.
Die Zivilgesellschaft ist sich einig: Sollte die national-konservative Partei VMRO-DPMNE wieder an die Macht kommen, werden viele der Bemühungen der Zivilgesellschaft in Frage gestellt werden. „Wir befinden uns definitiv an einem Wendepunkt: Sollte die VMRO-DPMNE die Wahlen gewinnen, werden die vor zwei Jahren angelaufenen demokratischen Prozesse in Gefahr sein oder sogar gestoppt werden“, so Tatjana Stoimenovska. Die Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft werden dann wieder vermehrt damit beschäftigt sein für ihre Legitimität zu kämpfen, statt sich weiterhin für eine freie und demokratische Gesellschaft stark machen zu können. Was längerfristig eine erneute Schwächung der Zivilgesellschaft zur Folge hätte.