Gespräch - Redefreiheit und Dialogkultur: die Rolle der Literatur in der Meinungsbildung – ein Projekt für Mittelschulen in BuH

Gespräche des PEN Zentrums BuH im Jahr 2011

P. E. N.   I N T E R N A T I O N A L
A World Association of Writers
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REDEFREIHEIT UND DIALOGKULTUR:  DIE ROLLE DER LITERATUR IN DER MEINUNGSBILDUNG – PROJEKT FÜR MITTELSCHULEN IN BuH

Vertreter/innen des PEN Zentrums BuH haben sich am 3. November 2011 um 13:00 Uhr mit Schüler/innen der 11. und 12. Klasse des Vaso Pelagić-Gymnasiums in Brčko zu einem Gespräch getroffen.
Der Distrikt Brčko wurde wegen seiner multiethnischen Zusammensetzung der Schüler/innen und seines multiperspektivischen Ansatzes bei den nationalen Fächern ausgewählt. Am Gespräch nahmen die Schuldirektorin Mirjana Knežević und einige Lehrer für bosnische, kroatische und serbische Sprache und Literatur teil.
Der Vorstand des PEN Zentrums BuH ist während seiner Strategieplanung für 2011 zu der Schlussfolgerung gelangt, dass Mittelschüler/innen, insbesondere Gymnasiast/innen als Verbreiter/innen der Kultur, des öffentlichen Raums für die Artikulierung ihre Meinung beschnitten werden und dass es unmöglich ist, in einer Umgebung von staatlichen, offiziellen, nationalen und nationalistisch orientierten Machtzentren eine freie, intellektuelle Jugend-Gemeinschaft zu bilden, die mit ihrem eigenen, individuellen, und nicht mit einem fremden, kollektiven  Kopf denkt. Solange unser öffentliches Leben auch weiterhin nur den herrischen und korrupten, nationalistischen Machtzentren zugänglich bleibt, wird diese verwundbare Kategorie, voller intellektuellem Potential für die Zukunft BuHs, niemals die Gelegenheit bekommen, für sich zu kämpfen, öffentlich ihre Standpunkte zu vertreten und die vitalste Kraft für die so dringend benötigten Veränderungen für BuH zu sein. Redefreiheit und multiperspektivischer Ansatz zur Vergangenheit können durch Dialogkultur und Respekt dem anderen gegenüber auf fruchtbaren intellektuellen Boden im Kreise der jungen Gemeinschaft stoßen, mit denen wir einen Dialog versucht haben.
Über die Mission des Internationalen PEN Zentrums, der PEN Charta, der Rolle des PEN Zentrums in BuH im Demokratisierungsprozess durch Bildung und Dialogkultur in BuH sprachen Prof. Dr. Zvonko Maković, langjähriger Vorsitzender und aktueller stellvertretender Vorsitzender des PEN Zentrums in Kroatien; Prof. Ddr. Zvonimir Radeljković, Universitätsprofessor und Dichter, Vorsitzender des PEN Zentrums in BuH und literarischer Übersetzer; Hadžem Hajdarević, Vizepräsident des Zentrums in BuH, Dichter und Publizist, und Ferida Duraković, Geschäftsführerin des PEN Zentrums in BuH, Dichterin. 
Zvonko Maković sprach überwiegend über Redefreiheit, über das Bedürfnis danach,  anders denkende zu hören, auch wenn man nicht dessen Meinung teilt, über inhaftierte Schriftsteller und die Hilfe des Internationalen PEN Zentrums in solchen Fällen,   und über Heinrich Böll als Schriftsteller und Verfechter der Redefreiheit in Zeiten, in denen die Welt noch streng in Blöcke und politische Sphären eingeteilt war, sowie über  Bölls Versuch, während seines PEN-Vorsitzes in den 70er Jahren alle Schriftsteller der Welt zu vereinen. 
Hadžem Hajdarević sprach über nationale Teilung in BuH, die geteilte Literatur, das Hervorheben schlechter Autoren und die Verdrängung derer, die es nicht verdienen, da sie als „ungeeignet“ gelten, über BuH als geeintem literarischen Raum und der Möglichkeit des politischen Einflusses durch Literatur, über die Notwendigkeit, die Biografie des Schriftstellers von seinem fiktiven Werk zu trennen, sowie über Andrić und Selimović und das gemeinsame kulturelle und literarische Erbe.
Ferida Duraković betonte die Notwendigkeit, den Unterschied zwischen einem traditionellen und einem modernen Ansatz zur Literatur und Kultur, zwischen rückschrittlichem und neuem zu erkennen – all dies kann schaden, oder aber helfen, dass gute Literatur an die Oberfläche gebracht wird und Einfluss auf die Gesellschaft nimmt, denn Literatur darf nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden,  sie darf aber auch nicht ausschließlich politisch sein, sonst verliert sie ihre grundlegende Funktion, und eine davon ist die Kritik der sozialen und politischen Umgebung.
Zvonimir Radeljković sprach von der Struktur, den Zielen und der Strategie des Internationalen PEN Organisation, über die Geschichte des PEN Zentrums BuH, die dramatischen Umstände der Gründung (zu Kriegsbeginn 1992), über die Zusammenarbeit der Zentren in den West-Balkan-Ländern, dem PEN Zentrum als „Verein der nicht gleichgesinnten“, der Notwendigkeit einer solchen Organisation im heutigen geteilten und auf nationale/nationalistische politische Parteien reduzierten BuH. Außerdem sprach er von Andrić und der Perzeption seiner Werke im heutigen Kontext, und er erwähnte auch Ezra Pound und seine signifikante Lebensgeschichte aufgrund seiner ausgeprägten politischen Standpunkte.