Spin oder Angst: Banja Luka, die Stadt ohne Bürger

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Der 14. Mai 2016 war der Tag, als es in Banja Luka zu Protestkundgebungen der Opposition und Gegenprotesten der Regierungspartei kam. Die Proteste, die von der Opposition unter dem Motto „Befreiung der Srpska“ angekündigt wurden, riefen heftige Reaktionen sowohl der Öffentlichkeit als auch anderer „Elemente“ in unserer Gesellschaft hervor. Die Opposition wollte mit ihren Protesten auf die sozio-ökonomischen Missstände aufmerksam machen, unter der die Bürger/innen der Republika Srpska (RS) zu leiden haben sowie darauf, dass die Regierung nichts tut, um die Lage zu verbessern. Wir alle wissen, dass die RS hoch verschuldet ist, die Bürger/innen von Krediten leben und nicht nur die „sozial gefährdeten“ gefährdet sind, aber unsere Regierung konnte nicht zulassen, dass die Opposition dies auch „öffentlich“, jenseits ihrer Sitzplätze im Parlament, eingesteht.

Die Reaktion der Regierung war nicht anders zu erwarten. Es wurden Gegendemonstrationen für den gleichen Tag angekündigt. Da ihnen der Begriff „Protest“ zu radikal erschien, entschieden sie sich, eine Versammlung in der Republika Srpska abzuhalten. 

Jede Unzufriedenheitsbekundung und jede Ansicht, die im Gegensatz zu der ihren steht, deutet die Regierung als Verrat. Daher benannten sie ihre Versammlung auch pathetisch „Mit dem Herzen für die Srpska (Republika-Anm. d. Übersetzerin) – Stopp dem Verrat!“ Dies ist gängige Praxis, wie bereits bei den kürzlich organisierten Gewerkschaftsprotesten gegen das neue Arbeitsgesetz. Es ist in jedem Fall lobenswert, dass die Opposition sich getraut hat, der Regierung auf eine solche Art entgegenzutreten.  Aber was an diesem Tag fehlte, war ein klares NEIN! für das Regime. Der Opposition wurde die Organisation der Proteste reichlich erschwert mit diversen Verboten, angefangen beim Standort bis hin zur Versammlung selbst, aber die Opposition hatte bei ihrer Versammlung nichts Neues anzubieten. Am Ende brachen sie zu einem symbolischen Spaziergang in entgegen gesetzter Richtung auf, was genau so gedeutet werden kann.

Spin oder Angst?

Wer in den vergangenen Tagen einen Medien-Spin vermutete, für den haben wir noch einen Spin, von dem wir gehofft hatten, er würde die Ehre von Banja Luka retten. Einige Tage vor den angekündigten Versammlungen hatte das Portal Press.rs einen Artikel veröffentlicht, in dem in der Nacht vor den Protesten eine Friedens-Demo seitens einer gewissen Initiative aus Banja Luka angekündigt wurde. Angeblich hatte die Initiative namhafte Intellektuelle, Sportler/innen und Künstler/innen aus Banja Luka versammelt, die zu verstehen gaben, dass „die Politik dringend in die Institutionen und das Leben, das Lächeln und die Freude auf die Straßen unserer geliebten und schönsten aller Städte zurückkehren möge“. Warum die Intellektuellen, Künstler/innen uns Sportler/innen Banja Luka dann doch noch schwiegen und Abstand davon nahmen, das „Lächeln auf die Straßen Banja Lukas zurückzubringen“, bleibt offen. Spin oder Angst – bis heute eine offene Frage, und das wird sie anscheinend auch bleiben.

Sowohl die einen, als auch die anderen haben uns am 14. Mai in die 90-er Jahre zurückgeworfen!

Bei der Opposition trat die Tochter von Radovan Karadžić als Rednerin auf, bei der Regierungspartei der Sohn von Ratko Mladić. Diese Information ruft jedoch in der Republika Srpska keine Verwunderung hervor. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Menschen an Hunger sterben. Für uns ist es das gleiche, das ist es, was uns unser Kampf gebracht hat! Darko Mladić sagte in seiner Rede: „Unsere größte Leistung im Krieg war die, das wir uns nicht in Partisanen und Tschetniks aufgeteilt haben“. Nach dem Motto einer alten Volksweisheit – „Wofür der Kluge sich schämt, macht den Dummen stolz“, wie am Samstag ziemlich deutlich wurde.

Dies waren keine Bürgerproteste. Dass es zu keinen Gewaltausbrüchen kam, soll und kann kein Beweis dafür sein, dass die RS eine demokratische Gesellschaft ist. Es beweist lediglich,  dass man sich nicht gegenseitig angreift (Macht gegenMacht). Wir sind zwar nicht aufeinander losgegangen, aber wir haben uns auch nicht von den 90-er Jahren weg bewegt. Und wissen noch immer nicht, was davon schlimmer ist.