Luftverschmutzung: Wie viel kostet ein Menschenleben?

Untersuchungen des Europäischen Amts für Gesundheitsrisiken und der Weltgesundheitsorganisation haben bestätigt, dass Luftverschmutzung sich nachhaltig negativ auf die Gesundheit und die Entwicklung von Karzinomen bei den Menschen auswirkt. Die Internationale Agentur für Krebsforschung bestätigt, dass Luftverschmutzung zu den Karzinogenen der Kategorie 1 gehört. Diese Einflüsse verursachen eine geringere Lebenserwartung, eine erhöhte Zahl an Krankenhausaufenthalten von Patienten, die an Atemwegerkrankungen und Herzproblemen leiden, das Erkranken an Bronchitis und andere geringfügigere Probleme, wie beispielsweise mehr Fehltage am Arbeitsplatz. 

Eine Untersuchung des Zentrums für Ökologie und Energie aus 2014 hat ergeben, dass das Wärmekraftwerk in Tuzla (TE Tuzla) stark erhöhte Emissionswerte an NOx, SO2 i PM2.5 aufweisen. Laut europäischen Methodologien haben im Jahr 2013 etwa 4.900 Bürger/innen ihr Leben, 131.000 Menschen ihren Arbeitsplatz durch das Kraftwerk verloren und mehr als 170 Menschen mussten wegen Herz- und Atemwegserkrankungen stationär behandelt werden. Auf der Grundlage des derzeitigen Wertes eines Arbeitstages beträgt der Gesamtschaden, den das TE Tuzla an der Gesundheit der bosnischen Bürger/innen verursacht hat, schätzungsweise etwa 99 Millionen Euro.

Der geplante Block 7 in den Werken Tuzla und Banovići wird wegen ihrer moderneren Betriebssysteme geringere Mengen an Schmutzpartikeln pro Einheit produzierter elektrischer Energie ausstoßen, aber es wird auch weiterhin ein Verlust an 310 Jahren menschlichen Lebens sowie ein Schaden in Höhe von 6,4 Mio Euro jährlich prognostiziert. Sollte auch der Block 8 in Tuzla entstehen, wird der Schaden 10 Mio Euro pro Jahr betragen. Der Schaden bleibt bestehen, solange die neuen Anlagen arbeiten, deren Lebenserwartung mindestens 40 Arbeitsjahre beträgt.

Lohnt es sich, 664 Millionen KM in die Minderung der Emissionen in BiH zu investieren?  

Es wird davon ausgegangen, dass die Anlage in Tuzla und Banovići im Zeitraum von 2015 bis 2030 einen Kumulativverlust von 39.260 erwarteten Lebensjahren, unzählige Todesfälle und einen Gesamtschaden in Höhe von 810 Mio Euro hervorrufen werden. Laut Schätzungen der Energiegenossenschaft belief sich der Schaden, den das TE Tuzla in 2014 auf die Umwelt ausgeübt hat, auf 346 Mio Euro, und der Schaden aller Kraftwerke in BiH in 2014 belief sich auf 2,2 Mrd. Euro.

Aufgrund dieser Daten und Fakten ist es gegenstandslos, über die Rentabilität einer Investition von 340 Mio Euro in die Minderung der Emissionen aus großen Heizanlagen nachzudenken. Solch eine Investition sollte sofort auf den Weg gebracht werden, denn ebei den genannten Schäden handelt sich um jährliche Folgen, die nicht nur vom Kraftwerk in Tuzla verursacht werden. 

Wie kam es zur Ausarbeitung des Investitionsplans in Höhe von 664 Millionen KM? 

Die vorgesehenen Investitionen sind Teil des nationalen Plans für die Minderung der Emissionen großer Anlagen (NERP - National Emission Reduction Plan), deren Errichtung im Einklang mit der Vorschrift über die Minderung der Emissionen aus großen Anlagen steht, der zum 31.12.2015 an die Energiegemeinschaft hätte übermittelt werden sollen. Große Verbrennungsanlagen sind Anlagen mit einer Heizkraft, die größer ist als 50 MW. Bereits 2013 ist eine Minderung der Emissionen aus großen Anlagen zur Pflicht für Bosnien-Herzegowina geworden, und zwar aufgrund des Beschlusses des Ministerrats der Energiegemeinschaft aus demselben Jahr. Der Beschluss schreibt vor, dass die Implementierung der Vorschrift über große Verbrennungsanlagen und die Vorschrift über Industrieemissionen verbindlich für alle Unterzeichner des Gründungsvertrags der Energiegemeinschaft ist, was auch Bosnien-Herzegowina in die Pflicht nimmt. Laut Vertrag mit der Energiegemeinschaft war Bosnien-Herzegowina verpflichtet, seine Emissionen in 12 großen Anlagen zu reduzieren, die elektrische Energie ins Netz speisen, und zwar:  Elektrizitätswerk der Föderation BiH – sieben Anlagen, Elektrizitätswerk der RS – zwei Anlagen und Natron-Hayat – drei Anlagen.

Für Bosnien-Herzegowina gab es folgende Optionen:

1.  Die Emissionen aus den großen Anlagen bis zum 1.1.2018 mit den Grenzwerten in Einklang zu bringen. Diese Option war für die Heizkraftwerke allerdings nicht realistisch. 

2.  Einen NERP für den Zeitraum 1.1.2018-31.12.2027 auszuarbeiten und diesen bis zum 31.12.2015 an das Sekretariat zu übergeben.  

3.  Die Lebensdauer der großen Anlagen (20.000 Betriebsstunden zwischen 1.1.2018-31.12.2023) zu begrenzen. Diese Anlagen sollten ab dem 1.1.2024 geschlossen sein oder den strengeren Grenzwerten der IE Direktive entsprechen.

Bosnien-Herzegowina hat sich für eine Kombination aus der zweiten und dritten Option entschieden.

Bosnien-Herzegowina ist es mit Unterstützung von USAID gelungen, einen NERP vorzubereiten, was auch Mirko Šarović, der Minister für Außenhandel und Wirtschaftsbeziehungen  gegenüber den Medien bestätigt hat. Seinen Aussagen zufolge ist der Nationale Plan zur Minderung der Emissionen aus den großen Verbrennungsanlagen in BiH fertiggestellt und dem Sekretariat vorgelegt worden. Der Plan beinhaltet, dass die Wärmekraftwerke TE Ugljevik, TE Gacko, TE Tuzla 5, TE Tuzla 6, TE Kakanj 6, TE Kakanj 7, UKO-4 und LUKO-4 (Natron Hayat – Maglaj) fast 640 Millionen KM investieren, was ihnen ermöglichen wird, bis zum 1.1.2028 ihre schädlichen Gas- und Feinstaubemissionen mit den erlaubten Grenzwerten in Einklang zu bringen.  

Die Blocks 3 und 4 des TE Tuzla, Block 5 in Kakanj und UKO 3 des Natron in Maglaj werden nicht in die Minderung ihrer Schadstoffemissionen investieren, sondern im Zeitraum vom 1.1.2018 – 31.12.2023 maximal 20.000 Betriebsstunden arbeiten und die Blöcke dann endgültig schließen. Dies bedeutet, dass die Blöcke praktisch etwa 4,5 Monate im Jahr in Betrieb sein werden.  

2014 betrugen die Emissionen aus großen Anlagen in BiH 273.577 t S02, 20.511 t NOx und 6.616 t Feinstaubpartikel (PM). Endgültiges Ziel des NERP ist eine Minderung der Emissionen bis 1.1.2028 mit den entsprechenden Investitionskosten, wie in der folgenden Tabelle dargestellt: 

 

                       Materie       2014             2018              1.1.2028              Kosten (Millionen KM)

                          SO2(t)      273.577       23.723            10.143                   521

                          NOx (t)       20.511         17.816             5.927                    103

                           PM (t)          6.616           819                   437                      40

                                                                                          GESAMT:                 664

 

Die Vorteile der Implementierung des NERP für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt übertreffen bei weitem die Investitionskosten, und genau darum war die Erarbeitung eines NERP für Bosnien-Herzegowina und dessen Implementierung auch so wichtig.

Die Implementierung wird in der Reduzierung der Emissionen drei der größten Schadstoffe resultieren: Schwefeldioxid (SO2), Stickoxid (NOx) und Feinstaubpartikel. Das wichtigste ist, die Schwefeldioxid-Emissionen zu reduzieren, denn hat die meisten Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt.

Die Lage ist alarmierend

In Tuzla z.B. befindet sich ein Wärmekraftwerk, das jährlich etwa 3,8 Mio. Tonnen Kohle verbrennt (Daten entnommen von der offiziellen Webseite des Elektrizitätswerks EPBiH) und unter anderem über 50.000 Tonnen SO2 ausstößt. Eine Überwachung der Luftqualität zeigt, dass Tuzla europaweit eine der Städte mit der größten Luftverschmutzung ist. 2014 zeigte die Messstation BKC, dass die täglichen Grenzwerte an SO2 (125 Mikrogramm/m3)um das 61-fache überschritten wurde. Pro Jahr darf dieser Wert höchstens drei Mal überschritten werden. 

2015 war die Lage noch kritischer. Ein besonders großes Problem stellten hohe Konzentrationen von Feinstaubpartikeln dar. Die durchschnittlichen Tageswerte an PM2,5  betrugen im Dezember 2015  von 66 – 330 µg/m3. Es gibt keine definierten Tages- oder Stundengrenzwerte von PM2,5,  aber laut europäischem Index werden Werte über 60 µg/m3

als sehr hoch eingestuft. Man geht davon aus, dass 100 µg/m3 in BiH als alarmierend gelten sollte, was bedeutet, dass im ganzen Monat Dezember 2015 Alarmzustand in der Messstation BKC herrschte, die sich im Stadtzentrum befindet.

Kehren wir nun kurz zurück zum Anfang des Textes und stellen die logische Frage: Wer opfert hier die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Tuzla und des Kanton Tuzla, und somit ganz Bosnien-Herzegowinas, und für welchen Profit?!

Hat dies einen Preis, und worauf wartet man bei der Ergreifung konkreter Maßnahmen?  

Die Verabschiedung des NERP ist eine Verpflichtung, die die Energiegemeinschaft BiH auferlegt hat, und erst eine konsequente Anwendung wird zu eine Minderung der SO2-Emissionen von 95% und drastischen Reduzierungen von Stickoxid und Feinstaubpartikeln führen. Daher sollte die Erarbeitung eines NERP nicht als Verpflichtung Bosnien-Herzegowinas gegenüber der Energiegemeinschaft betrachtet werden, sondern als eine Verpflichtung Bosnien-Herzegowinas ihrer Bürgerschaft gegenüber.  

Tuzla, 8.1.2016.

Übersetzung ins Deutsche: Alma Sukić, Büro Sarajevo der Heinrich-Böll-Stiftung