Regionale LGBT Konferenz

Zweite regionale LGBT Konferenz:Einheit kann einen neuen Ansatz hervorbringen

In Sarajevo fand am 25. und 26. September  die zweite regionale Konferenz Die Rechte von LGBT Personen im Westbalkan: Ist ein neuer Ansatz möglich? statt, die viele Aktivist/innen und andere Teilnehmer/innen versammelte: Journalist/innen, Mitglieder diverser Menschenrechtsorganisationen, Vertreter/innen aus staatlichen Institutionen, Forschungswissenschaftler/innen, usw. Während der zwei Tage wurde in einigen Panels über die Lage der Menschenrechte von LGBT Personen diskutiert, und zwar nicht nur in Bezug auf BiH, sondern auch die Länder der Region.

Eröffnet wurde die Konferenz von Thomas Busch, Leiter der politischen Abteilung der EU-Delegation in BiH und Special Representative der EU (EUSR). „Die Europäische Union betrachtet Homophobie und Intoleranz gegenüber Lesbierinnen, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen Personen (LGBTI) als unvereinbar mit ihren Grundwerten, so dass Regelungen und Maßnahmen zu deren Verhinderung und Einstellung getroffen wurden. Die EU-Delegation in BiH unterstützt Projekte durch das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDMR), die nicht nur eine Bewusstseinsbildung und Befürwortung in der bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft über Fragen der Gleichberechtigung und LGBT Menschenrechte zum Ziel haben, sondern auch die Bereitstellung rechtlicher Maßnahmen im Kampf gegen die Missachtung der Menschenrechte von LGBT Personen. Dies macht deutlich, dass die Europäische Union entschlossen ist in ihrem Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität, und unterstützt daher alle Bemühungen, die zu diesem Ziel führen.“

Die Konferenz wurde im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projektes Coming out! Befürwortung und Schutz der Rechte von LGBT Personen von der Heinrich Böll Stiftung und ihren Partnerorganisationen Sarajevo Open Center und Stiftung CURE organisiert.

Am ersten Konferenztag sprach die Forscherin und Aktivistin Hana Čopić über die Lage in Serbien, und Terry Reintke, Mitglied im EU Parlament und in der Frauenkommission, sowie Koordinatorin des Fachforums Gleichberechtigung,   hob in ihren Ausführungen fünf Handlungsfelder besonders hervor: 1. Gleichberechtigung in der privaten und öffentlichen Sphäre; 2. Kampf gegen alltägliche Homophobie; 3. Trans*Rechte, denn jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Identität selbst zu bestimmen; 4. Unterstützung für die Zivilgesellschaft, öffentliche Debatten, da LGBT Themen in den öffentlichen Raum gehören; und letztendlich 5. Bildung, denn LGBT Themen müssen Mainstream in Schulen und an den Universitäten werden, um einen neuen Ansatz in der Bildung zu schaffen. Reintke ist der Meinung, dass ein neuer Ansatz möglich ist, dafür müsste es allerdings zu einer Vereinigung aller kommen. Sie betonte, dass im Parlament und anderen politischen Institutionen zwar Allianzen gebildet werden können, wenn es jedoch keine LGBT Personen gibt, die dahinter stehen, und wenn an nicht auf die Straßen geht und keinen Druck ausübt, dann wird es schwer, Veränderungen herbeizuführen. „Ich kann von mir behaupten, dass ich kämpfen werde. Aber es ist etwas anderes, wenn ich den rechten Parteien sagen kann, dass ich LGBT Personen unterstütze, und auf der Straße vor dem Gebäude befinden sich eben diese LGBT Personen“.

 Zlatiborka Popov-Momčinović von der Philosophischen Fakultät der Universität in Ost-Sarajevo sprach über eine sektorale Untersuchung, die im Zusammenhang mit dem Projekt Coming out! durchgeführt wurde,  und dabei richtete sie besonderes Augenmerk auf die Bereiche politische Parteien und Bildung. Zlatiborka betonte, dass lediglich die Partei „Nasa stranka“  einen Teil über die LGBT Population in ihrem Programm hat, neben der SDP, die zwar keinen explizit verfassten Teil darüber hat, aber zumindest an einigen Aktivitäten teilgenommen hat, was LGBT Rechte angeht. „Offen dargelegte, homophobe Standpunkte berufen sich auf religiöse Lehren, auf ‘natürlich-unnatürlich', auf die schlechte wirtschaftliche Lage… Oft wird die Verantwortung einfach abgewälzt, sogar auf LGBT Personen. Das ist ein momentanes Phänomen, wenn es um Politiker/innen und LGBT Personen geht“.  Zlatiborka glaubt, dass Kroatien drei Schritte nach vorne gegangen ist, auch wenn da ein Schritt rückwärts zu sehen ist, wenn es um den Druck seitens der Kirche geht.

Am folgenden Tag fanden drei Panels statt: Die Verantwortung des Staates beim Schutz der LGBT Personen: Verbrechen/hate-speech, Anstoß zur Toleranz: Bildung und Veränderungen initiieren: Medien.  Beim Panel über die Medien sprachen Predrag Azdejković, Chefredakteur des Gay-Magazins Optimist aus Belgrad, Ana Brakus, Koordinatorin in der Vereinigung Zagreb Pride und Journalistin bei Libela.org und Jasmina Čaušević, Forscherin des Sarajevo Open Center  über die Medienberichterstattung bezüglich der LGBT Population. Moderiert wurde das Panel von Kristina Ljevak, Journalistin beim öffentlich-rechtlichen Sender FTV (Föderales Fernsehen).   

Predrag Azdejković sagte, dass die Medien jedes Jahr dasselbe Szenario vorfinden, was die Pride-Parade angeht. „Die Organisatoren kündigen die Pride an, dann meldet sich Dveri, eine klero-faschistische politische Partei, die glücklicherweise nicht die Prozent-Hürde bei den Wahlen überwunden hat, zu Wort und lässt verlauten, dass sie gegen die Pride sind, dann kommt die Polizeigewerkschaft, die jammert, dass sie keine Gehälter, Uniformen und Ausrüstung hat und sie sich mit bloßen Händen gegen die Hooligans werden wehren müssen. Danach betreten die Politker/innen die Szene, meistens ist dort Palma, der Bürgermeister von Jagodnik, der etwas homophobes von sich gibt, und alles endet dann gewöhnlich mit dem Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche, der uns auch in diesem Jahr mit Pädophilen verglichen und gesagt hat, dass die Homosexuellen die Kosten für die Parade selbst tragen sollten, und nicht auf Kosten des leidenden Serbien, als wäre er der Direktor des staatlichen Tresors“. Aber Predrag betonte auch, dass es in diesem Jahr durchaus Medien gab, die dem Patriarchen kritisch gegenüberstanden, indem sie das Wort „heuchlerisch“ vor seine Aussagen setzten. Predrag sagte, dass ab dem Moment, als sie ein Teil des Marktwettkampfes wurden, bei dem um jeden Leser gekämpft wird,  die Medien begriffen haben, dass sie dem Volk das geben sollten, was das Volk haben will. „Und das Volk liebt Homophobie, Denunzierung, Missachtungen der Menschenrechte“, sagte Predrag und wies auf das Problem der fehlenden Moderation für Kommentare auf Artikel und einen Mangel an Sendungen zu LGBT Themen in den elektronischen Medien hin.

Ana Brakus sagte, dass der Volksentscheid in Kroatien deutlich gemacht hat, wie Homophob Kroatien ist. „Wir sind eine homophobe Gesellschaft und die Homophobie ist in unserer Verfassung verankert“. Sie hob ein besonderes, gutes journalistisches Beispiel zur Zeit des Volksentscheids hervor, als die Titelseite des Novi list vollständig in den Regenbogenfarben erschien und ein ganzer Themenblock sich dem Volksentscheid widmete. Ihrer Meinung nach versuchten die dominanteren Medien, objektiv zu sein, während sich Portale zu den jeweiligen Seiten „bekannten“.  „Einen Tag vor dem Referendum sollte im Sender HRT die Sendung Jeder Tag ein guter Tag ausgestrahlt werden, in der Eltern von LGT Personen zu Gast waren. Die Sendung wurde jedoch gestrichen, da sie, wäre sie an dem Tag ausgestrahlt worden, auf das Wahlverhalten der Zuschauer hätte Einfluss nehmen können.  Als ob die Streichung der Sendung nicht ebenso das Wahlerhalten der Zuschauer beeinflussen könnte“.  Ana betonte, dass jede Art von Berichterstattung über LGBT Personen in der Region eine Art Bildung darstellt, denn es zeigt, dass diese Menschen unter uns sind.

Jasmina Čaušević, die 2006 aus Belgrad nach Sarajevo gezogen ist, erinnert sich, dass sie in diesem Jahr in einer Buchhandlung die Zeitschrift Dani geöffnet und einen Text der Autorin  Belma Bećirbašić über die nicht formale Eheschließung von Vesna und Azra gelesen hat. „Für mich war das einfach unglaublich, und es ist mir im Gedächtnis geblieben, als gäbe es in Sarajevo noch Hoffnung und Wunder. In der Region gibt es zwar eine Szene und es wird darüber gesprochen, während wir hier eine klare Twilight-Zone haben, aus der nichts anderes hervorgehen kann außer nationalistischer Geschichten, die immer und immer wieder jegliches bürgerliches und antikapitalistisches Handeln zum Einsturz bringen“.  Jasmina ist der Meinung, dass sich Medien, die ernsthaft und argumentiert über die wirklichen Probleme von LGBT Personen schreiben, nicht profilieren, und nennt als Beispiel die Tageszeitung Dnevni avaz, in dem man verschiedene Artikel, sogar befürwortende, finden kann, was aber nur darauf hindeutet, dass sie spontan und ohne System sind, während sich die Zeitschrift Dani konsequent und ernsthaft mit dem Leben der LGBT Gemeinde auseinandersetzt.

Beim Panel Die Verantwortung des Staates beim Schutz der LGBT Personen: Verbrechen/hate-speech  sprachen Tanja Vlašić vom Büro für Menschen- und Minderheitenrechte aus Zagreb, Antonio Mihajlov, Subversive Front aus Skopje, FYR Mazedonien und Mary Ann Hennesey, Leiterin der Büros des Europarates in BiH. Moderiert wurde das Panel von Emina Bošnjak vom Sarajevo Open Center. Tanja Vlašić betonte, dass die Institutionen in Kroatien in ihrer langjährigen Arbeit die wichtige Bedeutung des Kampfes gegen Diskriminierung und Hassverbrechen gegenüber LGBT Personen erkannt hat, und wie die gegenwärtige Lage ist. Antonio Mihajlov sprach aus der Perspektive eines Aktivisten über Vorfälle von Gewalt in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Auch eine Aufnahme eines Angriffs auf das LGBT Zentrum in Skopje wurde gezeigt. Mary Ann Hennessey sprach über eine Kampagne des Europarates in BiH gegen Hasssprache.

Beim Panel  Anstoß zur Toleranz: Bildung sprachen Amir Hodžić, unabhängiger Forscher aus Zagreb, Xheni Karaj von der Aleanca LGBT aus Tirana, Mina Damjanović von der Organisation für Lesbenrechte Labris aus Belgrad und Nenad Veličković vom Magazin Školegijum aus  Sarajevo. Moderator des Panels war Saša Madacki von Menschenrechtszentrum der Universität zu Sarajevo. Sie sprachen über die Diskriminierung von LGBT Personen in Lehrbüchern, sowie das allgemeine Problem der Relevanz der Informationen, die sich darin befinden. Es wurde eine Querschnitts-Evaluierung der Lage in BiH, Serbien, Kroatien und Albanien im Bildungssektor erstellt.

Die Schlussworte der Konferenz sprach Saša Gavrić, Geschäftsführer des Sarajevo Open Center. Er sagte, dass die politischen Parteien endlich die LGBT Rechte erkennen und sie in ihre Programme aufnehmen, und das sowohl Parteien, als auch der NGO Sektor und die Zivilgesellschaft gemeinsam an der Verbesserung der LGBT Rechte arbeiten müssen. „In BiH können wir sagen, dass wir Gesetze haben, in denen sexuelle Orientierung und Gender-Identität vorkommen, aber unzureichend. Es bedarf konkreter Maßnahmen für die Anwendung dieser Gesetze“, sagte Gavrić und fügte hinzu, dass die weitere Stärkung der LGBT Gemeinde eine große Herausforderung sei. Was Bildung angeht, so ist klar, dass diese Festung nicht so leicht einzunehmen sein wird, so Gavrić. „Diese Konferenz kennzeichnet das erste gemeinsame Treffen von Vertreter/innen aus Parlament, Regierung, Repräsentant/innen, politischen Parteien, der Zivilgesellschaft und der akademischen Gemeinde. Das Zuschauerspektrum war sehr bunt gemischt, und ich bedanke mich bei allen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam die Arbeit an der Verbesserung der LGBT Rechte beschleunigen, und dass wir, im Einklang mit dem  Konferenztitel, drei Schritte nach vorne gehen, und einen zurück“, sagte Gavrić zum Schluss.

Die Konferenz fand statt unter der Schirmherrschaft der Institution der Ombudsleute für Menschenrechte in BiH.   

Als Ergebnis dieser Konferenz ist folgende Publikation (in englischer Sprache) entstanden: "Human Rights of Lesbian, Gay, Bisexual and Trans* People in Bosnia and Herzegovina: New Approaches? Current situation and guidelines for future actions of institutions and civil society". [gallery]