Das historische Museum von Bosnien und Herzegowina ist ein Zeitzeuge der gesellschaftlichen und politischen Lage des Landes. Seit dem Ende des Krieges besteht auf politischer Ebene kein Interesse an der Kulturinstitution, nicht zuletzt, weil das Museum für eine gemeinsame Geschichte von Bosnien und Herzegowina steht. Dennoch ist das Historische Museum in den letzten Jahren zu einer einzigartigen kulturellen Institution herangewachsen.
Kulturk(r)ampf
Aufgrund des modernen und puristischen Baustils unterscheidet sich das Historische Museum von Bosnien und Herzegowina deutlich von den anderen Gebäuden in Sarajevo. Der quadratische Museumskomplex aus weißen Steinplatten war architektonisch ein Vorzeigeobjekt des Designs während der Jugoslawienzeit. Heute scheint es etwas aus der Zeit gefallen. Nicht zuletzt wegen den deutlich sichtbaren Einschusslöchern an der Fassade und den zahlreichen Kampffahrzeugen, von denen das Gebäude umgeben ist.
Das Historische Museum von Bosnien und Herzegowina wurde im Jahr 1945 gegründet. Seit Beginn bis zum Jahr 1993 konzentrierte sich das Museum thematisch auf die Geschichte des Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg und die Kultivierung der sozialistischen Werte. Das Gebäude verkörperte die sozialistischen Träume seiner Zeit.
Während des Bosnienkrieges lag das Museum direkt an der Frontlinie. Die Museumsexponate konnten glücklicherweise vor der Zerstörung bewahrt werden aber das Gebäude wurde schwer beschädigt. Bis heute sind an den Fassaden des Gebäudes die Spuren des Krieges deutlich sichtbar.
Mit dem Kriegsende und dem Dayton Abkommen wurde in der Verfassung festgehalten, dass das Historische Museum als gesamtstaatliche Institution während einer Transitionsphase den zwei Entitäten, der Republika Srpska und der Föderation Bosnien und Herzegowina, unterstellt wird. Dasselbe galt auch für die sechs anderen gesamtstaatlichen Kulturinstitutionen in Bosnien und Herzegowina.
Neuausrichtung des Historischen Museums
Mit dem Abkommen von Dayton wurde das Land zweigeteilt: In die mehrheitlich von bosnischen Serben bewohnte Republik Srpska und die Föderation Bosnien und Herzegowina. Die beiden Entitäten sind durch gemeinsame Institutionen auf staatlicher Ebene miteinander verbunden und im Staatspräsidium muss jeweils ein Vertreter oder eine Vertreterin aller drei ethnischen Gruppen vertreten sein. Mit dem Abkommen wurde aber auch das Ende einer – über ethnische Grenzen hinaus bestehende – gemeinsamen Geschichte Bosniens und Herzegowinas hervorgebracht. Das Historische Museum war gezwungen, sich in diesem Kontext neu zu positionieren. „Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, weil wir uns bewusst waren, dass mit dem Krieg ein gemeinsames Erbe verloren ging“, so Elma Hasimbegović, Direktorin des Historischen Museums.
In einem Land, in dem die Regierungsparteien gegen die Idee der Einheit tagtäglich ankämpfen, ist es nicht verwunderlich, dass das Historische Museum seit dem Kriegsende Mühe hat, als Institution eine nationale Identität zu behaupten oder gar zu verstärken. Im Gespräch mit Elma Hasimbegović wird deutlich, wie das Museum und seine Geschichte nach dem Krieg selbst zu einem Zeugen geworden ist für die gesellschaftliche und politische Lage des Landes. In Bosnien und Herzegowina gibt es keine politischen Bestrebungen eine gemeinsame Identität zu schaffen. Die nationalistischen Parteien sind vielmehr damit beschäftigt, die ethnische Teilung aufrechtzuerhalten.
Kultur hat keine politische Priorität auf der Ebene der Zentralregierung in Bosnien und Herzegowina. Es gibt kein Kulturministerium auf dieser Ebene und damit auch keinen Ansprechpartner für die Kulturinstitutionen. Die Transitionsphase dauert auch nach 23 Jahren nach dem Kriegsende weiter an und es bleibt ungeklärt, wer für die Instandhaltung der gesamtstaatlichen Kulturinstitutionen verantwortlich ist.
Nach zahlreichen vergeblichen Initiativen der Kulturschaffenden, die Verantwortlichkeit über die gesamtstaatlichen Kulturinstitutionen - und damit auch die Finanzierung - zu regeln, hat sich eine anhaltende Frustration breit gemacht. Das Nationalmuseum welches direkt neben dem Historischen Museum angesiedelt ist, musste sogar während fast drei Jahren geschlossen werden. Nur dank dem Druck der Öffentlichkeit konnte das Nationalmuseum im Jahr 2015 wiedereröffnet werden.
Ein Ort des gemeinsamen Dialoges
„Für uns gab es zwei Möglichkeiten: Entweder wir resignieren oder wir entscheiden uns dazu, die Sache alleine in die Hand zu nehmen und etwas Eigenes zu erschaffen,“ meint Elma Hasimbegović. Im Jahr 2012 hat sich das Team des Historischen Museums dazu entschlossen, voranzuschreiten und im Museum einen Ort des Dialoges zu erschaffen. „Wir wollten einen Ort hervorbringen, an dem anhand der Museumssammlung über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nachgedacht wird,“ so Elma Hasimbegović.
Dank den zahlreichen Projekten und dem Engagement des Teams wurde das Historische Museum in den letzten Jahren zu einer einzigartigen kulturellen Institution in Bosnien und Herzegowina. Da keine minimale Finanzierung gesichert ist, bleibt die finanzielle Lage des Museums jedoch prekär. Das Team sieht sich dementsprechend jedes Jahr gezwungen neue Projekte zu entwickeln und dafür Geldgeber zu finden. Die Projekte stoßen auf großen Anklang, damit können aber die Grundkosten wie Löhne und Infrastruktur nicht gedeckt werden. „Deshalb können wir uns bis heute nicht leisten das Gebäude im Winter zu heizen,“ erklärt Elma Hasimbegović und meint weiter: „Die finanzielle Situation stellt für uns eine große Herausforderung dar, ist aber kein Grund aufzugeben.“
Die neueste Ausstellung «Mir sa ženskim licem» ist nur ein Beispiel für die großartige Arbeit, die das Team des Historischen Museums leistet und damit den Geist des Museums aufrechterhält. Die Ausstellung erzählt von Frauen aus ganz Bosnien und Herzegowina und deren ungewöhnlichen Lebensgeschichten. Für die Vernissage waren zahlreiche Frauen aus dem ganzen Land angereist. Die Leute standen in der Eingangshalle dicht gedrängt beisammen und warteten gespannt auf die Einleitungsworte der Kuratorin. Man spürte förmlich den Stolz der Protagonistinnen, Teil dieser Ausstellung sein zu dürfen. Wobei einem bewusst wurde, was Elma Hasimbegović damit meinte, dass das Museum zu einem einzigartigen Ort des Dialoges und der Begegnung geworden ist.
Für die hbs von Laura Meier