Kambodscha: Vom Recht, für Rechte zu kämpfen

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Da draußen protestieren sie: Ein junges Mädchen beobachtet den Tag der Menschenrechte in Pnom Penh

Einmischen lernen: Vor 10 Jahren hat die Heinrich-Böll-Stiftung die erste indigene Jugendorganisation Kambodschas mit aufgebaut.

Bitte wie? Sochea Pheap greift zur Tastatur und sein indigener Name erscheint auf dem Bildschirm: Nghrot Nghroch. Auf seiner Muttersprache Bunong ist Nghrot der Name seines Vaters und Nghroch sein eigener. Seinen Khmer-Namen Sochea Pheap bekam er erst, als er aus seinem Dorf in der nordöstlichen Provinz Mondulkiri in die Provinzhauptstadt in die Schule kam. Heute, zwanzig Jahre später, leitet Sochea das größte Netzwerk indigener Jugendlicher in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, die Cambodia Indigenous Youth Association, kurz CIYA. Er lacht auf die Frage nach einem Wort für Demokratie in Bunong. „Eine direkte Übersetzung dafür gibt es nicht. Uns geht es mit CIYA gerade viel grundsätzlicher darum, dass Indigene in Kambodscha überhaupt das Recht haben, für ihre Rechte zu kämpfen.”

Kambodscha mag bekannt sein als eines der ärmsten Länder der Welt (der jüngste Weltentwicklungsbericht des UNDP listet Kambodscha auf Platz 143 von 188) – von seinem Reichtum an unterschiedlichen indigenen Völkern weiß hingegen kaum jemand. Bunong ist eine der größeren Gruppen, aber es gibt auch Tampuan, Jarai, Pui, um nur eine kleine Auswahl der über 20 Gruppen zu nennen.

Die meisten von ihnen leben im abgelegenen Nordosten des Landes, in den Provinzen Ratanakiri, Mondulkiri, Stung Treng und Kratie, insgesamt machen sie ungefähr 3 % der Bevölkerung aus. Der Nordosten ist gleichzeitig auch die Region mit den meisten Bodenschätzen – und so ist eines der größten Probleme, mit dem die indigenen Gruppen Kambodschas momentan konfrontiert sind, die Frage nach Landrechten.

Abgeschnitten von Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen

Denn als Minderheiten in einem Staat, der Khmer als nationalen Standard definiert hat, sind sie ganz besonders betroffen von dem Raubbau an den natürlichen Ressourcen des Landes, der von einer korrupten Regierung und ausländischen Investoren ohne Rücksicht auf die ansässige Bevölkerung betrieben wird. Dabei ist der Verlust des eigenen Landes für indigene Gruppen besonders dramatisch, weil Land mehr als nur die ökonomische Lebensgrundlage darstellt. „Unsere gesamte kulturelle Identität basiert auf unserem Land,” erklärt Sochea, „deshalb ist für uns die Frage nach Land immer untrennbar mit ganz grundsätzlichen Menschenrechten verbunden.”

CIYA’s Strategie, um mit diesen Missständen umzugehen, setzt genau bei den indigenen Gemeinden selbst an und unterscheidet sich damit auch grundsätzlich von vielen anderen Nichtregierungsorganisationen. Wenn Mitglieder von CIYA beispielsweise zu einem sogenannten Gemeindedialog in ein Dorf fahren, konzentrieren sie sich zunächst darauf, menschliche Beziehungen zu einzelnen Gemeindemitgliedern aufzubauen – und helfen ihnen bei dem, was sie gerade tun, sei es Ackerbau oder Fischfang.

Erst am zweiten Tag rufen sie alle zu einem Workshop zusammen, in dem die wichtigsten Themen der Gemeinde aufgelistet werden. So sind viele Dörfer abgeschnitten von Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen und überfordert mit dem Prozess der Registrierung von gemeinschaftlichem Landbesitz. Zurück in der Hauptstadt bemüht sich CIYA darum, die aufgekommenen Probleme an Regierungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen weiterzuvermitteln und den Kontakt zu den oft weit abgelegenen Dörfern aufrechtzuerhalten.

Dass CIYA jetzt auf diese Weise agiert und operiert hat auch viel mit ihrer Entstehungsgeschichte zu tun, in der die Heinrich Böll Stiftung eine wichtige Rolle spielt. 2005 trommelte Yun Mane, eine junge indigene Frau, zehn junge Angehörige indigener Minderheiten in Phnom Penh zusammen, um gegen Diskriminierung Indigener in Kambodscha zu mobilisieren. Als das Netzwerk im Laufe der nachfolgenden zwei Jahre stetig anwuchs und die ersten Aktivitäten plante, bekamen sie langsam Probleme mit den Behörden.

Zehn Jahre später hat sich eine zweite NGO gegründet - für Erwachsene

Diese wollten Papiere sehen, eine rechtliche Registrierung, einen Nachweis der Legalität. Das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Kambodscha bot praktische Hilfe an: Im neu bezogenen Büro nutzte CIYA einen Nebenraum und lagerte eigene Materialien, mithilfe einer externen Beraterin bot die Stiftung auch personelle Unterstützung beim Organisationsaufbau an. Am wichtigsten, stellt Sochea heraus, war dabei die respektvolle Art der Zusammenarbeit. „Auch als wir noch ein ganz kleines Netzwerk waren, wurden wir als Partner ernst genommen und nicht als untergeordnete Organisation angesehen.”

Das hat sich heute, fast zehn Jahre später, ausgezahlt. Mittlerweile ist CIYA eine offiziell registrierte NGO und arbeitet mit zwölf Leuten in der Geschäftsstelle in der Hauptstadt um ein Netzwerk von über 500 Mitgliedern zu verwalten, das sich über acht Provinzen des Landes erstreckt. Neben den Gemeindedialogen werden auch einzelne Mitglieder als Menschenrechtsbeobachter ausgebildet, um in brisanten Landrechtskonflikten mit indigenen Gemeinden Präsenz zu zeigen. Auch in der Hauptstadt ist CIYA gut vernetzt mit Regierungsinstitutionen und NGOs. Das kommt ihnen immer dann zu Gute, wenn lokale Behörden in einer der nordöstlichen Provinzen versuchen, ihre Aktivitäten zu stoppen.

Inzwischen hat sich mit Hilfe der Heinrich-Böll-Stiftung eine zweite indigene NGO gegründet. Die Cambodian Indigenous People’s Organisation, kurz CIPO, zielt weniger auf Jugendliche, wie es CIYA macht, sondern auf Erwachsene. Damit ergänzen sich die beiden Organisationen und bilden eine wichtige Brückenfunktion zwischen den Indigenen Gemeinschaften und der Mehrheitsgesellschaft.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Für Demokratie - Vom Engagement der Heinrich-Böll-Stiftung in der Welt" und wurde im Rahmen der gleichnamigen Publikation erstellt.