Das neue Gesicht Skopjes: Ein megalomanisches Projekt frisst seine Stadt

Lesedauer: 14 Minuten

Autorin: Ivana Dragšić

Skopje 2014 ist zweifellos das größte Investitionsprojekt in der Geschichte Mazedoniens. In der Hauptstadt Skopje wurde etwa 1 km2 des Stadtkerns umdekoriert. Am Projekt beteiligten sich mehrere Institutionen, allen voran das Kultusministerium, die Stadt Skopje, der Stadtbezirk Mitte und das Ministerium für Verkehr und Kommunikation. In letzter Zeit war dieses Thema das umstrittenste in der mazedonischen Politik, und auch unter der Bürgerschaft führte es zu tiefen Spaltungen.   

Mehr als 100 Skulpturen, 34 Denkmäler, 27 Gebäude, sechs Garagen, fünf Karrees, ein Triumphbogen sowie zahlreiche andere urbane Interventionen wie Springbrunnen, kleinere Plätze und Kandelaber wurden errichtet, während zwölf Parks und Grünanlagen zerstört wurden. Trotz mehrerer öffentlicher Aussagen einiger Regierungsvertreter, dass das Projekt 80 Mio. Euro kosten würde, stiegen die Kosten des Projektes Skopje 2014 auf fast 640 Mio. Euro, und der Durchschnitt der jährlichen Kosten dieses Projektes erreichten das durchschnittliche Budget des mazedonischen Gesundheitswesens.

Stellen Sie sich einmal vor, die deutsche Regierung würde 20% des Jahresbudgets, 336 Mrd. Euro, für die Umgestaltung eines Quadratkilometers in Berlin ausgeben, Parks betonieren, unter Denkmalschutz stehende Plätze und Gebäude zerstören, den Stadtverkehr verkomplizieren, die Luft verschmutzen - all dies unter Nichtbeachtung, Umgehung und Umgestaltung der Gesetzesrahmen, ohne den Willen des Volkes zu berücksichtigen oder Expertenmeinungen einzubeziehen.

Die Charakteristika des Projekts sind die hässlichen Gebäude und Denkmäler vermeintlicher politischer und militärischer Persönlichkeiten mit falschen Angaben auf den Gedenktafeln und das Aufgeben von urbanem Gemeingut. Das Hauptproblem liegt jedoch im systematischen Anschlag auf demokratische Entscheidungsprozesse und alle institutionalisierten Prozeduren, die normalerweise eine nachhaltige und humane Raumplanung ermöglichen.

Die sichtbarsten Auswirkungen hat das Projekt zweifelsfrei auf die urbanen Gemeingüter in all seinen Formen, zudem auf die Kultur und das Kulturerbe, auf die Geschichte und das Wissen. Stark beeinträchtigt werden zudem die Freizeitmöglichkeiten, da Grünflächen und andere Orte einfach zugebaut werden. Skopje 2014 blockiert und zerstört in diesem Sinne das Gemeingut.  

Das Projekt stellt eine Rekonstruktion und Reinterpretation der Geschichte dar, die auf der Glorifizierung anachroner und fragwürdiger Personen der Geschichte begründet ist. Es verfolgt die  Verewigung falscher Geschichte oder Mythologie unter Vernachlässigung bzw. Verfälschung wissenschaftlich bestätigter Tatsachen.  

Es drängt der Bürgerschaft neue Werte mittels zwangsweiser Verbundenheit zu Geschichte, Lokalismus, Gewalt, Maskulinität, dem Epischen auf - auf Kosten der Werte, die Dank internationaler Interventionen nach dem zerstörerischen Erdbeben von 1963 geschaffen wurden und die aus Kosmopolitismus, Solidarität, Transparenz, Offenheit und sentimentalen Anklängen sowohl zum Osmanischen Erbe als auch zum Modernismus Bezug nehmen.  

Skopje 2014 beutet intellektuelles und digitales Gemeingut (Kultur, Sprache, Medien, Gesetzgebung) aus und drängt der Bürgerschaft Skopjes einen neuen Diskurs auf, zudem eine neue Sprache und neue Erfahrungen durch eine Reihe von Dokumentarfilmen, die gesendet wurden, während das Projekt noch in der Phase des Aufbaus, dem Branding von Korrespondenzkarten und anderen offiziellen Dokumenten war. Anstatt mit den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger befasste man sich mit dem Engagement von berühmten Personen für die Verteidigungsschrift des Projektes, der Änderung der Gesetzeslage, um sie dieser fragwürdigen Idee anzupassen, der Neuformulierung von Inhalten in Schulbüchern und organisierte Schulausflüge zu den Denkmälern.

Während das Projekt Unsummen in einem Land verschlingt, das zu dem ärmsten Europas gehört, kam den Gegnern das Projekt ebenfalls teuer zu stehen.  Viele von ihnen verloren ihre Arbeit oder wurden degradiert wegen ihrer öffentlichen Meinungsäußerung, einigen wurde sogar der Prozess gemacht, sie wurden körperlich angegriffen, in den Medien angeprangert und verleumdet, während sich andere bewusst entschieden zu schweigen und sich selbst zu zensieren.

Auf Abhörbändern aus dem Jahr 2013 ist zu hören, wie der mazedonische Premierminister Nikola Gruevski den Mob gegen den neuen Bürgermeister des Bezirks Mitte in Skopje aufbringt, der gewählt wurde, um die Fortführung des Projektes Skopje 2014 zu verhindern.

Ein Projekt aus dem Nichts:  Wie entstand Skopje 2014?

Das Bauprojekt wurde in einer Videoanimation mit dem Titel "Visualisierung des Zentrums von Skopje in 2014" vorgestellt, die auf YouTube erschien, worüber in den Medien berichtet wurde. Es gab keine Ankündigung, keine Diskussion im Vorfeld. Weder die Mazedonische Architektenvereinigung noch die Mehrheit der führenden Architekt/innen, Urbanist/innen, Raumplaner/innen, Künstler/innen oder andere relevante Akteur/innen wussten etwas davon. Die Bürgerschaft wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass alle Entscheidungen bereits getroffen waren, die öffentlichen Ausschreibungen beendet und die Bauunternehmen ausgewählt waren, die für die Bauarbeiten bereit standen:

- Anstelle von Debatten im Parlament über Denkmäler für Personen der Geschichte von internationaler Bedeutung (wie es das Gesetz will), wurde das Thema einfach auf die Gemeindeebene übertragen, wo still und leise darüber abgestimmt wurde. Die öffentlichen Ausschreibungen waren sehr präzise formuliert, was den Stil und die visuellen Anforderungen angeht, und die Künstler/innen wurden sehr sorgfältig ausgewählt.  Valentina Stevanovska, die Gestalterin des größten Denkmals am Platz - dem "Krieger zu Pferde" - hatte davor nur ein öffentlich ausgestelltes Werk vorzuweisen, eine Büste in einer Grundschule. Einzel- oder Gruppenausstellungen hatte sie vorher nicht. Jetzt hält sie den Mazedonischen Rekord für ein vom Staat bestelltes künstlerisches Werk, dessen Preis 2,94 Mio. Euro erreicht. Außerdem hält sie jetzt Vorträge an der Kunstakademie in Skopje. 

- Das Projekt wurde durch eine groß angelegte Medienkampagne in TV-Reklamen, Zeitungsinseraten, Dokumentarfilmen und öffentliche Veranstaltungen unterstützt, während die Mehrzahl der Gebäude noch in der Bauphase waren. Einige Bauprojekte wurden beschleunigt, um zu bestimmten Zeiten mit symbolischem Potenzial und staatlichen Feiertagen  fertig zu sein. Personen mit Zugang zur öffentlichen Meinung, "Expert/innen", waren buchstäblich gemietet worden, um ihre apologetischen Rollen in den Medien zu spielen und den Diskurs der "Konstruktion der längst verlorenen nationalen Identität" zu perpetuieren. Viele der "Expert/innen" wurden zu Rats- und Komiteemitgliedern ernannt, wo alle Prozeduren in Bezug auf Skopje 2014 geplant wurden. Sie stiegen beruflich auf, erhielten Auszeichnungen vom Staat, druckten Monografien und gründeten sogar neue Universitätskatheder in ganz Mazedonien.

- Um das Projekt zu realisieren, hat die amtierende Regierung das mazedonische Parlament mit Anträgen für Gesetzesänderungen überflutet, so dass es bei einer Gelegenheit zu einer Rekordzahl von 112 Gesetzesänderungen an einem Tag kam. Die Strategie hinter diesen intensiven Veränderungen war, die Gesetzgebung ad hoc den Interessen der Regierung anzupassen und alle gesetzlichen Hindernisse zu eliminieren, um so den Anschein eines Rechtsstaates für die Internationale Gemeinschaft, die die Prozesse im Land beobachtet, zu wahren. Das Projekt 2014 wurde oft in Zusammenhang mit weiteren Ereignissen in der Region bezüglich der Privatisierung und Kommerzialisierung von Gemeingütern, der Zerstörung urbaner Umgebung zwecks Grundstückserschließung für den Bau von Shopping-Zentren und einer profitorientierten urbanen Raumplanung gebracht. Die meisten der urbanen Gemeingüter sind im Besitz von Regierung oder anderen staatlichen Institutionen und Regierungsparteien, deren Anzahl im Prozess der Renationalisierung von öffentlichem Raum  wächst. Das ist der Stand der Dinge, trotz der Tatsache, dass auch private Interessen und Profite hinter den Kulissen des Aufbaus der staatlichen Institutionen stehen. 

 Gemeingüter: Die Spur der Zerstörung

Grünflächen

Als Folge der Diskontinuität in der Raumplanung, insbesondere aber durch den verantwortungslosen Planungs- und Bauprozess spielt Skopje 2014 eine bedeutende Rolle bei der Zerstörung der urbanen Umwelt. Die "Verschönerung" der Stadt forderte ihren Tribut in der Abholzung zahlloser alter Bäume, sowie in der Zerstörung öffentlicher Grünflächen und informeller Treffpunkte im ganzen Stadtzentrum. Die Luftverschmutzung in diesem Gebiet wird regelmäßig überprüft und erreichte im Dezember 2015 eine Konzentration von Feinstaub der Partikelgröße von PM 2,5 und PM 10, die mehr als zwei Wochen anhielt. Bis Dezember 2013 fielen ein Dutzend Parks, Fußgängerzonen, Flussufer und Radwege dem Bauvorhaben  zum Opfer. Öffentliche Grünflächen wurden um 50% im Stadtzentrum und in Gänze um 20% reduziert. Auch die Lage der städtischen Alleen hat sich verschlechtert, obwohl die Zahl der Bäume nicht signifikant gesunken ist. Die gefällten Bäume waren reif und gesund und trugen zur Minderung der Luftverschmutzung, Produktion von frischer Luft, der urbanen Thermoregulierung und der Schaffung von Voraussetzungen für Biodiversität bei. Außerdem ist die gleichmäßige Verteilung der Grünflächen und Bäume (die einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Lufttemperatur und Luftverbesserung im ganzen Gebiet leisten) nachhaltig beeinträchtigt. Bei der derzeitigen Baugeschwindigkeit auf Kosten der urbanen Grünflächen ist der Verlust von Naturflächen irreversibel. Das Fällen der Bäume besitzt zudem große Bedeutung bei der Zerstörung der Gemeingüter, denn wichtig für die Gesellschaft sind die planmäßig angelegten Alleen erst durch die Schatten geworden, die sie den Einwohnern gespendet hatten. Nicht nur, dass die historischen Alleen entfernt wurden, sondern dass viele Grünflächen in lokalen Parks am Ufer des Vardar mit Denkmälern, Skulpturen und anderen an Absurdität grenzenden Interventionen übersät wurden.           

Urbanes

Der Hauptplatz im Zentrum Skopjes, der Makedonija-Platz, war für die Mazedonier der wichtigste Versammlungsort, die politische Arena für Anhänger aller politischen Parteien, Bühne für Sportsiegesfeiern (der mazedonischen, türkischen und albanischen Nationalmannschaften) und Standort des größten alljährlichen Weihnachtsbaums. Er war Schnittstelle für alle Versionen der Stadt und regelmäßiges Ziel der gesamten Bürgerschaft, Treffpunkt für Massenveranstaltungen und Events sowie ein Ort der Entspannung für Jung und Alt. Er selbst bot zwar nie viele urbane Inhalte (was wahrscheinlich auch der Anlass für Skopje 2014 war), aber er war ein wichtiger Ort für Inhalte und Begegnungen. Seit 2010 sind 15 Objekte (Denkmäler, Wohnhäuser, Springbrunnen, Statuen) im Rahmen des Projektes Skopje 2014 auf dem Platz aufgestellt worden. Die Fassaden zahlreicher Wohnhäuser in der Umgebung wurden erneuert, weitere Objekte sollen im Umfeld entstehen. Die Menschen bestätigen, dass ihre täglichen Routen dadurch vollkommen verändert wurden, vor allem, um den Weg über den Platz zu vermeiden. Die Menschen, die dort ihre Zeit verbrachten, wurden ersetzt durch kostümierte Statisten; Menschen, die bezahlt wurden um alte Trachten und Masken zu tragen und für Fotos zu posieren. Wegen der großen Ablehnung der Bürgerschaft gegenüber den Denkmälern wurden diese still und leise nachts aufgestellt. Die Stadt hat dafür sogar eine private Sicherheitsfirma engagiert, die sich um die Sicherheit der Denkmäler kümmerte. Zusätzlich wurde ein komplexes Überwachungssystem installiert.

Der Springbrunnen am Fuße des „Kriegers zu Pferde“ spielt so laute Musik (unter anderem Wagner), dass es in Kombination mit den riesigen LCD Reklamebildschirmen auf dem gegenüber liegenden Gebäude unmöglich ist, irgendetwas anderes wahrzunehmen oder einfach nur die Umgebung zu genießen. Seit 2010 wurde der Makedonija-Platz künstlich gefüllt und genutzt – für politische Versammlungen der regierenden Partei, gekünstelte Unabhängigkeitsfeiern und ähnliche Ereignisse, bei denen die Anwesenden arrangiert und organisiert wurden. Die seltenen Momente, die den Platz spontan füllten, waren Trauerfeiern anlässlich des Todes von Toše Proeski oder der Aufstand gegen Polizeigewalt und die Vertuschung des Mordes an Martin Neškovski. Der Platz ist heute ein Ort, der nichts mehr mit einem Ort der Gemeinschaft zu tun hat.

Das Verborgene

Es gibt einen Aspekt im Rahmen des Projektes Skopje 2014, über den kaum jemand spricht. Man könnte diesen als unsichtbares urbanes Gemeingut bezeichnen. Die Rede ist von einigen kleineren (öffentlichen) Räumen in Form von Passagen, Straßenecken und ähnlichen Teilen größerer urbaner und architektonischer Strukturen, die zurzeit, durch buchstäbliche Okkupierung und Angliederung an neu errichtete Gebäude einen zweckentfremdeten Raum darstellen. Ursprünglich waren sie Bestandteil des modernistischen Erbes Skopjes, etwa die „Stadtmauer“ aus dem Städtebauprojekt Skopje, die der japanische Architekt Kenzo Tange 1963 entworfen hat und die als „leerer“ Raum bestimmt war.

Die vorgenommenen Veränderungen und die dafür geänderten Gesetze können nicht öffentlich eingesehen werden, daher haben Architekten, Urbanisten und andere Mitglieder der Fachwelt diese Okkupierung noch immer nicht in Frage gestellt. Somit bleibt der gesamte Entscheidungsprozess über die Änderung der Bestimmung dieser Räume unklar und undokumentiert.

Das kollektive Gedächtnis

Skopje 2014 baut urbanes Gemeingut auf jede mögliche Art ab. Zusätzlich zur physischen Zerstörung und Renationalisierung des öffentlichen Raums wird auf diese Weise Territorium markiert und es werden Routen und Routinen behindert, die fast ein Jahrhundert lang im Zusammenhang mit dem kollektiven Gedächtnis und den Gewohnheiten der Bürgerschaft aufgebaut wurden. Was die Menschen in Skopje am meisten irritiert, ist der Teil dieses Prozesses, der das kollektive Gedächtnis löscht und die kulturellen Meilensteine Skopjes zerstört: der erste städtische Meilenstein – die Steinbrücke – ist umgeben von neuen, glänzenden Brücken mit dutzenden Skulpturen, einem Karussell und einem Riesenrad. Den umliegenden Gebäuden aus der Epoche des Modernismus hat man ein „Facelifting“ mit „neo-klassizistischen“ Fassaden verpasst, während Gebäude mit fragwürdigen Dimensionen und Formen, Säulengängen und Denkmälern eine Mauer entlang des Vardar bilden, die den Blick auf das modernistische Erbe – das Opern- und Balletthaus sowie die Minarette der Altstadt – behindern.

Historische Alleen wurden gefällt, wodurch öffentliche Plätze und die Bänke unter den Bäumen beseitigt wurden. Die natürliche Grenze im Stadtkern entlang des Vardar, die das moderne Geschäftszentrum vom alten, historischen „orientalischen“ Zentrum trennt, wurde durch starke orthodoxe Symbolik - Denkmäler für zwei mazedonische orthodoxe Aufklärer aus dem 9. Und 10. Jahrhundert, aufgestellt am Rande des alten türkischen Bazars - betont, womit zusätzlich die banale muslimisch-orthodoxe Teilung der Menschen und des Raums hervorgehoben wird. Straßennamen und öffentliche Orte wurden umbenannt, meistens auf Kosten derer mit sozialistischer Vergangenheit. Ein besonderes Kapitel in der Kritik am Projekt Skopje 2014 sollte man dem Umgang mit Denkmälern zum 2. Weltkrieg und den Partisanen widmen: Viele sind beschädigt, wurden entfernt und an einen unbekannten Ort verfrachtet, vernachlässigt oder schlicht verbaut.

Widerstand: Kleine, aber entscheidende Erfolge

Der Bau der orthodoxen Kirche war eine harte Prüfung für die Masterminds des Projekts Skopje 2014. Reaktionen und Proteste erfolgten, aber anstatt sich mit der Frage des Säkularismus zu befassen, richtete sich der mediale Spin gegen jene, die sich kritisch geäußert hatten. Die Regierung ging so weit, dass sie ein Grundstück am Hauptplatz zu einem symbolischen Preis an die orthodoxe Kirche verkaufte und es in den städtischen Flächennutzungsplan eintrug. Die Kirche wurde dann doch noch an einem anderen Ort und zu einem etwas späteren Zeitpunkt erbaut. Nach dem Ende der Proteste gegen den Kirchenbau stellte auch die Bewegung für die Erneuerung der Moschee, die sich nur etwa einhundert Meter in Richtung des Flusses befindet, ihre Aktivitäten ein. Diese Initiative hatte die Rehabilitierung der urbanen Geografie Skopjes und die Erneuerung der Burmali-Moschee zum Ziel, die gleich neben dem Grundstück steht, das für den Bau einer Kirche von 1495 vorgesehen war und 1925 eingerissen wurde, um dort einen kulturellen Ort für die Zwecke der Armee zu bauen. Eben dieser Ort wurde zu Zeiten der SFR Jugoslawien in das berühmte Armeehaus der Jugoslawischen Volksarmee umbenannt. Diese Tatsache ist wichtig für das ganzheitliche Bild und die Symbolik, die sich der Stadt nun aufdrängt, denn es hätte leicht zum Umbruchspunkt für eine „Kompensations“-Raumplanung werden können, infolge dessen ein weiteres religiöses Objekt auf dem größten Platz der Hauptstadt eines säkularen Staates geschaffen worden wäre.

Es gibt eine Erfolgsstory über die Bewahrung des städtischen Kaufhauses, fest im Sprachgebrauch und im Gedächtnis Skopjes als „GTC“ verankert. Es gab den Vorschlag, dass sich dieses architektonische Grenzobjekt einer „Barockisierung“ unterzieht, indem es offenen Raum und Passagen schließt, Säulengänge hinzufügt und es komplett umgepackt wird in die visuelle Identität des Projektes Skopje 2014. Dieses Gebäude ist eigentlich Raum für Privatkapital, aber das architektonische Projekt (ein offenes Shopping-Zentrum, kombiniert mit Wohneinheiten und in der Nähe des größten öffentlichen Parks im Stadtzentrum gelegen) ist durchaus von gesellschaftlicher Bedeutung. Urbanistisch und geografisch steht es in Symbiose mit der Umwelt und dient als Umleitung  für verschiedene Arten des Handels- und Frachtverkehrs. Schon seit langem ist es ein Meilenstein im kollektiven Gedächtnis, auch wenn einige der Verantwortlichen noch immer leben.  

Die Bürgerschaft wurde vom Stadtbezirk Mitte unterstützt (wo die regierende Partei nicht mehr die Mehrheit hält), so dass 2015 ein Volksentscheid durchgeführt wurde. Bei dem Referendum stimmten 97% für die Erhaltung des GTC, womit eine klare Botschaft gesendet wurde, dass die angestrebte Veränderung des öffentlichen Raums nicht akzeptiert wird. Leider lag die Bürgerbeteiligung bei nur 47%, womit die gesetzlich festgelegte Grenze nicht erreicht wurde. Die geringe Beteiligung ist auf den Aufruf der VMRO an seine Anhänger zum Boykott zurückzuführen. Die Bürgergesellschaft und die Bezirksverwaltung werten dies dennoch als Erfolg, denn das Gebäude steht noch immer an seinem Platz und die Zivilgesellschaft hat im Laufe dieser Kampagne eine dynamische Beziehung mit der Gemeinde und Fachverbänden aufgebaut.

Skopje 2014 – Die Vergangenheit im Aufbau

Der einzige Versuch, urbane Gemeingüter zu schützen und sich an den Regulierungsplänen zu beteiligen, lag also im Bereich der partizipativen Demokratie mittels zweier Volksentscheide. Dies ist jedoch nur teilweise die Lösung für das Problem. Es gibt noch immer keine wichtige Debatte über die Frage der mittlerweile verfallenden Gebäude oder das Projekt als Ganzes. Derweil wird der Megabau fortgesetzt, Denkmäler werden errichtet, Straßennamen geändert. Selbst während der Entstehung dieses Textes hat die Stadt Skopje eine weitere „Rekonstruktion von Fassaden bestehender Gebäude im engeren Stadtkern“ angekündigt – eine Phrase, hinter der sich anstelle einer qualitativen Verbesserung die visuelle Behinderung von modernistischer Architektur versteckt. Die Stadt wächst, während das Gemeingut verschwindet bzw. Missbrauch zum Opfer fällt.  Dies aufzuhalten ist anscheinend nur möglich, indem man die Regierung aufhält.

Übersetzung ins Deutsche: Alma Sukić, Büro Sarajevo der Heinrich-Böll-Stiftung

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