Die Klima- und Wirtschaftskrise als transatlantische Herausforderung
5. Mai 2009
Schriften zur Ökologie, Band 3
Ein Strategiepapier von Hilary French, Michael Renner und Gary Gardner (Worldwatch Institute) in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung.
VORWORT
Wir erleben zur Zeit eine doppelte Krise: Die Blase des finanzmarktgetriebenen Turbokapitalismus ist geplatzt und hat die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren ausgelöst. Doch nicht nur die Geld- und Warenkreisläufe sind gestört, auch das Ökosystem ist aus den Fugen geraten. Die natürlichen Ressourcen und somit unsere Lebensgrundlagen sind gefährdet. Schwindende Ölvorräte, Überfischung der Meere, Wasserknappheit und Verlust von Ackerland sind eindeutige Alarmzeichen.
Der Klimawandel zeigt am deutlichsten, dass unser Wirtschaftsmodell an seine Grenzen stößt. Gelingt es bis Mitte des 21. Jahrhunderts nicht, den CO2-Ausstoß um etwa 80 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren, dann werden wir die Erwärmung nicht unter den gerade noch tolerablen zwei Grad Celsius halten können.
Doch die Doppelkrise eröffnet auch eine Chance. Die Einsicht setzt sich durch, dass es eines grundlegenden Strukturwandels bedarf. Die Krise von Wirtschaft und Umwelt werden wir nur bewältigen, wenn der gegenwärtige Kapitalismus von einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung abgelöst wird.
Das vorliegende gemeinsame Strategiepapier der Heinrich-Böll-Stiftung und des Worldwatch Institute will zeigen, dass ein solcher Wandel gerade in Zeiten der Krise möglich ist. Die Unsummen, die jetzt von den Regierungen weltweit für die Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben werden, müssen genutzt werden, um den Treibsatz für eine grüne industrielle Revolution zu zünden.
Das Papier beschreibt, wie ein «Green New Deal» gestaltet werden muss, damit zweierlei gelingt: eine nachhaltige Belebung der Wirtschaft und der Übergang zu einer umweltverträglichen, kohlenstoffarmen Wirtschaftform. Dabei geht es zum einen um den Umbau von Schlüsselsektoren, die durch besonders hohen Energiebedarf und CO2-Emissionen gekennzeichnet sind. Dazu gehört auch die Autoindustrie, deren Philosophie und Technologie sich grundlegend wandeln muss. Zum anderen geht es um eine Erneuerung der öffentlichen Infrastruktur, die sich auf alle Wirtschaftssektoren und auf das Alltagsleben der Gesellschaft auswirkt. Letztlich zeigt das Papier, dass ein Green New Deal auch massenhaft sinnvolle Beschäftigung schaffen kann.
Ein solcher Strukturwandel kann nicht allein im nationalen Rahmen gelingen. Wir brauchen einen globalen Green New Deal. Denn unsere Ökonomien und unsere Ökosysteme hängen voneinander ab. In einer globalisierten Welt sind nicht nur die Krisen global, auch die Lösungen müssen global sein. Das bedeutet nicht abzuwarten, bis andere vorangehen. Gerade die wohlhabenden und technologisch hoch entwickelten Staaten müssen den Weg für eine grüne Wende im globalen Maßstab ebnen. Als führende Wirtschaftsmächte sind die EU und die USA dazu prädestiniert: Sie verfügen nicht nur über das notwendige fachliche Know-how, sondern auch über so offene und kreative Gesellschaften, dass der große Sprung in eine nachhaltige Wirtschaftsform gelingen kann. Sie haben Vorbildfunktion für den Rest der Welt.
Wir wollen mit diesem Strategiepapier darum Mut zu einem transatlantischen Green New Deal machen, der auf beiden Seiten des Atlantiks das Fundament für ein grünes Wirtschaftswunder legt.
Berlin und Washington, im April 2009
Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
Christopher Flavin, Präsident des Worldwatch Institute