Referendum – und der Tag danach

Referendum – und der Tag danach  

Nachdem der Präsident der Republika Srpska (RS) Milorad Dodik seine politische Karriere vor zehn Jahren mit dem Versprechen der Abspaltung der RS von Bosnien-Herzegowina (BiH) begonnen und mindestens zehn Mal pro Jahr das Referendum darüber angekündigt hat, musste ein Jubiläum gefeiert werden.

Natürlich arbeitsam, und zwar mit einem Referendum.  

Vor allem, da die Frage doch so simpel und die Antwort von vorne herein bekannt war, wie im Falle des Urteils des Verfassungsgerichts BiH, dass die Art der Begehung des 9. Januars als Feiertag der RS nicht im Einklang mit den Rechten aller konstitutiven Völker in dieser Entität ist.

Das Parlament der RS hat sich nicht davon abhalten lassen, neben der Kampagne, die dazu aufrief, massenweise am Referendum teilzunehmen, mit der Prozedur der Anpassung des Gesetzes über Feiertage zu beginnen, worüber es mit einem Schreiben auch das Verfassungsgericht BiH in Kenntnis setzte und dabei so tat, als wäre der Termin für ein Referendum zu diesem Thema nicht bereits festgelegt.  

So war jeder auf seine Weise mit dem Referendum beschäftigt.  

Serbien ließ verlautbaren, ihn nicht unterstützen zu wollen. Zumindest nicht öfffentlich. Das Peace Implementation Council, im Volk besser bekannt als PIC, ist eine Versammlung aller wichtigen Botschafter/innen in BiH, hat bekannt gegeben, dass sie wegen der Weigerung Russlands  zu keiner Einigung bezüglich einer gemeinsamen Verurteilung des Referndums kommen konnten. Die EU-Kommission gab kurz bekannt, dass diese Bekanntgabe keinerlei Einfluss auf das Urteil des Verfassungsgerichts habe.

Und in der Zeit der Wahlkampagnen und der Kampagne für das Referendum fährt Dodik zu Putin und Bakir Izetbegović zu Erdogan. Auf diese Weise treffen Interessen - nur politische, keine wirtschaftlichen - in dem kleinen Bosnien-Herzegowina zusammen, ebenso wie die zwei Großmächte Russland und die Türkei, die dieser Tage noch einmal ihre Freundschaft bekräftigen und eine neue politische Zusammenarbeit ankündigen. Die Politik Bosnien-Herzegowinas wird so außerhalb ihrer Landesgrenzen verlegt. Derzeit sind EU und die USA am wenigsten an BiH interessiert, und auch wenn sie Interesse haben, so zeigen sie es nicht, außer mit der ewigen Leier von den Fortschritten, die BiH täglich macht, der für die meisten seiner Bürger/innen jedoch unsichtbar ist.

Mit Bosnien-Herzegowina beschäftigen sich alle, nur nicht das Land selbst 

Das Ergebnis des Referendums war von vorneherein bekannt, aber dennoch wurde es duchgeführt. Es war noch nicht einmal eine starke mediale oder politische Kampagne nötig, auch eine wesentlich schwächere hätte zum Erfolg geführt.  

Milorad Dodik hat in der Nacht der Ergebnisverkündung erbost mitgeteilt, dass sich jeder schämen sollte, der nicht am Referendum teilgenommen hat. Trotz der 99,7% Stimmen für den Nationalfeiertag der RS am 9. Januar, die er von den 56% der Einwohner/innen der RS erhalten hat, die am Referendum teilgenommen haben. Mit so einem Ergebnis sollte doch jeder Organisator eines solchen Referendums weltweit zufrieden sein, selbst in Ländern, die als nicht demokratisch gelten, so dass für einen Moment lang unklar ist, was für ein Ergebnis Milorad Dodik zufrieden stellen würde. Die Antwort haben wir eine Woche später erhalten. Milorad Dodik wäre mit einem guten Ergebnis bei den Lokalwahlen zufrieden, und das hat er auch bekommen, und zwar in Form eines fast plebiszitären für die SNSD (Bündnis der unabhängigen Sozialdemokraten), die Partei, die in seinem Besitz ist.

In einer der ersten Ansprachen an die Öffentlichketi nach den Wahlen und dem besten Wahlergebnis für die SNSD hat er seinem Publikum erklärt, auf welche Weise er das Referendum für die Wahlen ausgenutzt hat, und dieser Zug ist wahrlich einen Applaus wert.  

Er hat zwar mit keinem Wort Bakir Izetbegović und seinen Verdienst bei dem Ergebnis erwähnt, aber ohne Zweifel wissen beide, wie groß dieser Verdienst war. Und das Milorad Dodik dieses Mal mehr Nutzen aus der ganzen Sache gezogen hat.

Die Opposition in der RS hat sich von der Entscheidung für das Referendum bis zu seiner Durchführug wie eine Gans im Nebel verhalten. Genau so waren auch ihre Ergebnisse bei den Wahlen. Kurz gesagt: Die Opposition hat verloren, weil sie nicht bereit war, nichts zu verlieren zu haben. Dodik hingegen war bereit, alles zu verlieren.

Die Frage ist, ob Dodik überhaupt etwas verlieren kann bei öhnlichen Referenden, jenen in Zukunft, und er hat klipp und klar angekündigt, sie zu organisieren, und zwar jedes Mal, wenn es um Entscheidungen dieser Art geht.

Nur zur Erinnerung: Milorad Dodiks Immobilien außerhalb der RS sind mehr wert als die in der RS. Sein Reserveplan ist fest und stabil. Seine Kinder sind bereits Millionäre. Als sein Sohn volljährig wurde, hat er einen Kredit über drei Millionen genehmigt bekommen, während seine Altersgenossen in Banja Luka und Laktaši für ein minimales Gehalt arbeiten und die Entität verlassen, die mittlerweile so hoch verschuldet ist, dass kein Weg aus der Schuldenfalle zu sehen ist.

Bei allen bisherigen politischen Kalkülen Dodiks über das Referendum gab es in den zehn Jahren seiner Regierung nie die Frage nach dem Tag danach. Warum? Warum interessiert ihn der Tag danach überhaupt nicht, genauso wie diese oder künftige Entscheidungen des Verfassungsgerichts?

Und was wird am Ende das Gericht sagen?

Das Gericht hat seine Meinung dazu verkündet. Tatsache ist, dass 90 Urteile des Verafssungsgerichtshofes der letzten zehn Jahre nicht durchgesetzt wurden. Und es wird immer offensichtlicher, dass noch eine weitere hinzu kommt.

Das Gericht hat sich gemäß der Prozedur an die Staatsanwaltschaft BiH gewandt mit der Anordnung, ein Verfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten und Verhaftungen durchzuführen, aber dies wird nicht passieren.  

An die langjährige Degradierung der höchsten gerichtlichen Instanz sind schon alle gewöhnt, was schlecht für die Bürger/innen BiH´s ist, egal wo sie leben. Denn den geringsten Nutzen vom Verfassungsgericht, das niemand respektiert, haben die Bürger/innen, das die primäre Aufgabe der Verfassung ist der Schutz des Einzelnen vor dem System.

Hier wird alles daran getan, das System in Unordnung zu halten, damit die Gerichtsbarkeit nicht funktioniert, Polizei und Medien nur einer Partei dienen – so betreten wir die Zone der Rechtsunsicherheit für den einfachen Bürger.

Dies ist auch das größte Problem der lokalen und internationalen Politiken in BiH, da sie mit dem was sie tun und nicht tun tagtäglich eine Armee an schutzlosen,würdelosen Menschen produzieren, die sich jeden Augenblick in Soldaten verwandeln lassen.

Ins Deutsche übersetzt von Alma Sukić, hbs Büro Sarajevo