COP 21

Human Energy à la Tour Eiffel à Paris

Das Abkommen fordert einen Beitrag der reichen, aber auch der Entwicklungsländer zur Minderung der Treibhausemissionen und verpflichtet ihre Mitglieder zur Erarbeitung, Berichterstattung und Durchführung ihrer Nationally Determined Contributions – NDC (national geplante Treibhausgasminderungsbeiträge). Alle Staaten sollen ihre geplanten Treibhausgasminderungsbeiträge (Intended Nationally Determined Contributions, iNDCs) erarbeiten und ihre Klimaschutzpläne alle fünf Jahre so nachbessern, dass ein Fortschritt im Vergleich zum vorherigen Zeitraum sichtbar ist. Das Abkommen erneuert die Verpflichtung der reichen Nationen, die Aktivitäten der Entwicklungsländer finanziell zu unterstützen, ruft die Entwicklungsländer aber auch zu Eigenständigkeit auf. Das erklärte Ziel, die reichen Länder helfen den Entwicklungsländern bis 2020 mit 100 Mrd. US$ jährlich, wurde bis 2025 verlängert, und ein neuer, höherer Betrag für den Zeitraum nach 2025 wird festgelegt. Mit dem Abkommen sucht man auch nach der Einführung eines neuen Mechanismus, ähnlich dem "Clean Development Mechanism" im Rahmen des Kyoto-Protokolls, der Treibhausgasminderungen eines Land dem Klimaschutzplan (NDC) eines anderen Landes anrechnet. Das Abkommen beinhaltet jedoch keine klare Quantifizierung der notwendigen  Treibhausgasminderungen. Es gibt keine Obergrenze für Emissionen, wie  einige Länder gefordert haben. Das Fehlen klarer, rechtlich bindender Ziele ist, neben anderen Faktoren, einer der Aspekte, der dem Kongress der USA ein Argument liefern könnte, das Abkommen nicht zu ratifizieren. Darüber hinaus wurde für das Ziel der Begrenzung der globalen Erwärmung keine klare Frist gesetzt. Das Abkommen fordert ein Erreichen maximaler Emissionen so bald wie möglich (ASAP), und daraufhin eine schnelle Minderung, um die Ziele des Abkommens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu erreichen.

Im Kontext der  Begrenzung des Klimawandels und Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens gilt eine Low Carbon-Gesellschaft, die auf folgenden Energiesystemen basiert, als Imperativ:

  1. Erneuerbare Energiequellen,
  2. Gebäude als „positive“ Energieerzeuger,
  3. Energiespeicherung (täglich und saisonal) und
  4. “Intelligente” Elektro- und  Wärmenetze, sowie Elektro-Fahrzeuge.

Globale Impulse als Chance für Bosnien-Herzegowina

Ungeachtet der (nicht)verpflichtenden Aspekte des Pariser Abkommens sollte Bosnien-Herzegowina die globalen Impulse, die vom Abkommen in Richtung Energiewende ausgehen, ausnutzen und die internationalen Mechanismen für eine Anpassung an den Klimawandel und Treibhausgasminderungen nutzen. Das Abkommen wird sich unter anderem auch auf die Stärkung der internationalen Mechanismen für Treibhausgasminderungen auswirken, was Bosnien-Herzegowina ausnutzen muss. Auch wenn es sich um einen globalen Impuls handelt, muss die Energiewende im Kontext der lokalen nachhaltigen Entwicklung betrachtet werden. Dies bedeutet, dass die Antwort auf diesen Impuls von unten nach oben, also Bottom-up, kommen sollte. Einzig auf diese Weise kann die Energiewende in Richtung einer Nutzung der Potenziale erneuerbarer Energiequellen und Energieeffizienz zu einer Lösung der Probleme lokaler Gemeinden, wie etwa Armut, schlechte Infrastruktur, gefährdete Luftqualität, Menschenrechte usw. beitragen. Mit einer solchen Herangehensweise werden keine neue Probleme in der lokalen Gemeinde geschaffen, im Gegensatz zum traditionellen „Top-down“ Ansatz, der bei der Lösung einiger Probleme fast immer zu neuen führt (Aussiedlung der Einwohner/innen, Zerstörung touristischer Inhalte und Potenziale, Gefährdung der Menschenrechte durch unangemessene Enteignung des Eigentums, Zerstörung der Infrastruktur usw.). Diese Wende muss wegen der Trägheit der Energetik natürlich schrittweise erfolgen. Moderne Energieplanung setzt 2050 als zeitlichen Horizont an. Auch wenn es weit entfernt scheint, muss nicht nur sofort an konkreten Maßnahmen für die Erreichung der Ziele für 2050 gearbeitet werden, sondern am besten schon gestern. Hier gilt nicht, dass es nie zu spät ist, sondern, dass es für solche Aktivitäten nie zu früh sein kann. Es ist wichtig zu verstehen, dass an der Energiewende wegen der eigenen Entwicklungsziele gearbeitet werden sollte, und nicht nur formell wegen der Verpflichtung des Staates.

Die Energiewende in Bosnien-Herzegowina

Für BiH besteht die Energiewende aus einigen wichtigen Aspekten:

  1. Die stufenweise Dezentralisierung des Energiesystems – Erhöhung des Anteils der Anlagen, die an das Distributionsnetz angeschlossen sind,
  2. Dekarbonisierung – Reduzierung der aus fossilen Energieträgern gewonnenen Energie und Ausweitung des Energieanteils aus erneuerbaren Energiequellen,  
  3. Ownership der lokalen Gemeinden – die Lokalen Gemeinden werden zu Eigentümern von Teilen des Energiesystems,
  4. Subventionierung der Energieeffizienz – Umverteilung der Subventionen für den Energieverbrauch.

Die Energiewende bedeutet den Übergang von zentralisierten zu dezentralisierten, bzw. verstreuten Energiesystemen. Die Distributionssysteme beinhalten viele relativ kleine Produktionseinheiten, die an das Distributionsnetz angeschlossen sind. Genau dies ermöglicht eine aktive Beteiligung der lokalen Gemeinden an Entscheidungen, Projektentwicklungen, Finanzierung und Implementierung von Projekten. Die lokalen Gemeinden können sich mittels lokaler Unternehmen, Einzelpersonen und immer öfter Energiegenossenschaften  beteiligen. Da es sich um erneuerbare Energiequellen handelt, führt dieser Prozess auch zu einer Dekarbonisierung, bzw. zur Reduzierung und langfristig vollständigen Beendigung der Nutzung fossiler Brennstoffe.  Voraussetzung für eine Dekarbonisierung ist die Energieeffizienz der Verbraucher/innen. Ein wichtiger Aspekt im Kontext der lokalen Entwicklung ist die Änderung der Eigentumsverhältnisse. Eine Dezentralisierung ermöglicht die Beteiligung der lokalen Bürgerschaft am Eigentum der Energie-Infrastruktur. Um die Nutzung erneuerbarer Energiequellen nachhaltig zu machen, ist es notwendig, die Praxis des subventionierten Energieverbrauchs aufzugeben und Mechanismen zur Subventionierung der Energieeffizienz einzuführen. Laut Angaben des Entwicklungsprogramms der UN (UNDP) gibt Bosnien-Herzegowina 9-10 % des Bruttoinlandprodukts für einen subventionierten Energieverbrauch fossiler Brennstoffe aus. Von den Ländern der Region stellen nur Montenegro und der Kosovo einen größeren Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts für den  subventionierten Energieverbrauch fossiler Brennstoffe zur Verfügung. Berücksichtigt man die Höhe des   Bruttoinlandprodukts, kommt man zu dem Ergebnis, dass Bosnien-Herzegowina etwa 2,5 Mrd. KM jährlich für fossile Brennstoffe ausgibt. Nur ein Teil dieses Betrags ist für die wesentlich intensivere Nutzung von erneuerbaren Energiequellen und Energieeffizienz notwendig. Der Betrag für die Subventionierung erneuerbarer Energiequellen (überwiegend durch Förderungstarife) liegt etwas unter 15 Mio. KM jährlich. Das Hauptziel der Energiewende ist nicht die Minderung der Treibhausgasemissionen, sondern folgende, nach ihrer Bedeutung aufgelisteten Aspekte:

  1. Langfristige Konkurrenzfähigkeit der Energetik,
  2. Bessere Energieversorgung,
  3. Ein Energiesystem im Dienste der lokalen Entwicklung,
  4. Effiziente und effektive Energienutzung und
  5. Minderung der Treibhausgas- und anderer schädlicher Emissionen.

Bosnien-Herzegowina hat einige der Mechanismen zur Förderung erneuerbarer Energiequellen eingeführt. Allerdings sind diese Mechanismen nicht so konzipiert, dass sie der Förderung dieser Ziele dienen. Es gibt keinen integralen Ansatz und überwiegend wird die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen favorisiert. Am sichtbarsten wird dies an den vorgeschriebenen Förderungstarifen. Die geplanten Quoten für Sonnenkraftwerke sind erschöpft, da eine Investition in diese Anlagen rentabel ist. Man kann jedoch mit Sicherheit behaupten, dass die Lebensqualität in Bosnien-Herzegowina durch den Bau dieser Anlagen nicht besser geworden ist. Zu einer Verbesserung würde es kommen, wenn ein Teil der Quoten reserviert bleiben oder ein zusätzlicher Koeffizient (höher als 1) bei den Tarifen für Photovoltaik-Projekte auf Gebäudedächern mit einer Erhöhung der Energieeffizienz des genutzten Gebäudes, auf dessen Dach die Anlage installiert wäre, eingeführt werden würde. Ähnlich verhält es sich mit Tarifen für elektrische Energie, die aus Biomasse gewonnen wird. Die Nutzung von Wärme aus kogenerativen Biomasseheizkraftwerken wird nicht subventioniert.  Es könnten, beispielsweise, Koeffizienten proportional zum Prozentanteil der Nutzung vorhandener Wärme eingeführt werden

Die Rolle der Energiegenossenschaften bei der Energiewende und die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft

Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und Energieeffizienz muss in einem wesentlich breiteren Kontext als den der puren Energieproduktion und-Verbrauchs betrachtet werden. Eine nachhaltige Entwicklung kann nur durch eine integrale Herangehensweise an alle Fragen erreicht werden. Traditionelle Gewerbe (überwiegend Landwirtschaft) können in ländlichen Teilen nur schwerlich angemessene Lebensbedingungen sichern. Vor allem wegen des Klimawandels werden die Risiken für die landwirtschaftliche Produktion immer größer (Überschwemmungen, Dürre etc.). Der Lebensstandard in den ländlichen Teilen könnte durch eine Kombination aus traditioneller landwirtschaftlicher Produktion und der Erzeugung von  Energie, Energieträgern aus erneuerbaren Quellen und natürlicher Isolationsmaterialien (Heu, Schafswolle usw.) verbessert werden. Dies stellt nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle dar, sondern auch die Diversifikation des Risikos für Einbußen in den Einnahmen wegen Überschwemmungen, Dürren usw. In einem Dürrejahr, zum Beispiel, sinken die Einnahmen aus der landwirtschaftlichen Erzeugung, dafür wachsen jedoch die Einnahmen aus dem Verkauf elektrischer Energie, die aus Sonnenenergie gewonnen wurde. Auf diese Weise ist der Landwirt weniger dem Risiko einer Dürre ausgesetzt.

Als eine positive Form der Organisierung der lokalen Gemeinden im Kontext der weltweiten Energiewende haben sich die Energiegenossenschaften erwiesen. Energiegenossenschaften entwickeln Projekte für erneuerbare Energien, die gänzlich oder teilweise Eigentum der lokalen Gemeinden sind, die in den Gebieten ansässig sind und in denen die Projekte durchgeführt werden. Die Gemeinde schließt sich zu einer Investition zusammen, durch die sie die lokal zugängigen Potenziale der erneuerbaren Energien wie Wald-Biomasse, Stalldünger, Wind, Hausdächer für Solaranlagen usw. ausnutzt. Die Mitglieder der Genossenschaft vereinigen und verteilen humane, finanzielle und materielle Ressourcen zwecks Investition in Projekte der erneuerbaren Energien in ihren lokalen Gemeinden. Die Projekte werden dabei nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch wegen der Lösung gesellschaftlicher - und Umweltprobleme der Gemeinde entwickelt, indem man Arbeitsplätze schafft, die Luftqualität verbessert (z.B. durch Austauschen der Ölheizungen gegen Heizungen mit lokal gesammelter Biomasse), die lokale Infrastruktur ausbaut usw. Energiegenossenschaften nutzen erneuerbare Energien als einen Weg zu nachhaltiger Entwicklung, und nicht als Profitquelle. Mit ihnen können viele Vorteile für die lokale Gemeinde erlangt werden, die in folgende Kategorien aufgeteilt sind:    

Gesellschaftlicher Nutzen (Erlangen von Führungs- und technischen Fähigkeiten in der lokalen Gemeinde, Schaffung neuer Arbeitsplätze, stärkeres Gefühl der Kollektivität in der lokalen Gemeinde, Reduzierung der Abhängigkeit von anderen Arten der Energien).  

Wirtschaftlicher Nutzen (Risikoteilung, Investition in Projekte, die zu einer  Weiterentwicklung der lokalen Gemeinde führen, Einsparungen bei den Energiekosten, Minderung der Proteste aus der lokalen Bevölkerung gegen die Projekte, Schaffung neuer Chancen für lokale Unternehmen).

Nutzen für die Umwelt (Minderung der Treibhausgasemissionen, Lösung der Umweltprobleme in den Gemeinden – effiziente Dünger- und/oder Abfallwirtschaft, Reduzierung der Emission von Luftschadstoffen).

Die wohl größte Barriere für eine vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien in Bosnien-Herzegowina ist der NIMBY-Effekt (aus dem englischen „Not In My Back Yard“, was so viel bedeutet wie „Nicht in meinem Garten“). Mit der Entwicklung von Energiegenossenschaften würde diese Barriere weitgehend oder gar vollständig eliminiert werden. Mit der Entwicklung von Energiegenossenschaften würden auch signifikante Beträge der  Bürgerschaft aktiviert werden, die auf den Konten der Handelsbanken liegen. So könnte auch die Staatsverschuldung für die Errichtung neuer Produktionskapazitäten und einer Energie-Infrastruktur reduziert werden.

Übersetzung ins Deutsche: Alma Sukić, Büro Sarajevo der Heinrich-Böll-Stiftung

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Lesen Sie auch die Analyse  COP 21 and the Paris Agreement: A Force Awakened von Lili Fuhr (Berlin) und Liane Schalatek (Washington),  mit Beiträgen von Radostina Primova (Brüssel), Hans Verolme (Berlin), Maureen Santos (Brazil) und Damjan Bogunovic (Beograd):  http://us.boell.org/2015/12/15/cop-21-and-paris-agreement-force-awakened